Was melden?

Transfusionsreaktionen (TR)

Transfusionsreaktionen sind unerwünschte oder unerwartete Ereignisse, die in Zusammenhang mit der Verabreichung labiler Blutprodukte stehen können. Gemäss Art. 63 Abs. 2 VAM müssen diese Ereignisse mit allen relevanten und verfügbaren Informationen der Swissmedic gemeldet werden.

Beispiele Transfusionsreaktionen
  • Akute transfusionsassoziierte Lungenschädigung (TRALI)1
  • Allergische TR
  • Alloimmunisierungen
  • Febrile nicht hämolytische TR (FNHTR)1
  • Hämolytische TR (HTR) akut und verzögert
  •  Post-Transfusions Purpura (PTP)
  • Platelet refractoriness1
  • Transfusion assoziierte Graft-versus-Host Disease (Ta-GvHD)

1) Bei diesen Transfusionsreaktionen stehen auch nicht-immunologische Entstehungsmechanismen zur Diskussion.
 
  • Volumenüberlastung (TACO)
  • Hypotensive TR
  • Transfusionsassoziierte Dyspnoe (TAD)
  • Hämosiderose
  • gravierende Hypothermie (Massentransfusion)
  • Hyperkaliämie
  • Kalziummangel
  • Bakterielle
  • Parasitär
  • Prionen
  • Viral
  • Pilze

 

2) Alle durch Blutkomponenten übertragenen Infektionen sind beim BAG meldepflichtig.

Anmerkung: Das Bundesgesetz über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG, SR 818.101) von 28. September 2012 und die Verordnung des EDI vom 1. Dezember 2015 über die Meldung von Beobachtungen übertragbarer Krankheiten des Menschen (SR 818.101.126) bleiben unverändert (Meldepflicht der AIDS- und Hepatitisfälle, sowie der positiven Ergebnisse der entsprechenden Infektionsmarkertests an die Abteilung Epidemiologie des Bundesamtes für Gesundheit).

Transfusionsfehler (IBPT; inkorrektes Blutprodukt transfundiert)

Gemäss Art. 63 VAM müssen Personen, die Arzneimittel berufsmässig anwenden, abgeben oder dazu berechtigt sind, Beobachtungen schwerwiegender oder bisher nicht bekannter, die Arzneimittelsicherheit gefährdender Tatsachen Swissmedic melden. Fehltransfusionen werden als Ereignis bezeichnet, bei welchen einem Patienten eine Blutkomponente transfundiert wurde, die nicht für ihn bestimmt, nicht geeignet, zufällig kompatibel oder nicht notwendig war oder bei dem die Transfusion verzögert stattgefunden hat.

Die Ursachen für die Transfusion eines inkorrekten Blutproduktes können grundsätzlich in der ganzen Transfusionskette liegen: Eine falsche Verordnung, die Blutentnahme beim falschen Patienten oder ein Fehler im immunhämatologischen Labor kann am Anfang eines Transfusionsfehlers stehen. Damit Fehltransfusionen verhindert werden können, werden mehrere Kontrollen, wie z. B zwei Blutgruppenbestimmungen aus unabhängigen Blutentnahmen oder das Vier-Augen-Prinzip eingebaut. Kommt es trotzdem zu einem Transfusionsfehler, haben diese Kontrollmechanismen versagt.

 

Übersicht Transfusionskette
Transfusionskette
Die Transfusionskette zeigt auf, welche Berufsgruppen bei der Durchführung einer Transfusion und somit an der Prävention von Vorkommnissen beteiligt sind.
© Swissmedic
Beispiele IBPT
  • ABO inkompatibel
  • ABO zufällig kompatibel
  • Nicht Allo-Antikörper kompatible Blutkonserve
  • Transfusion vermeidbare ungetestete O neg. Konserven
  •  HLA inkompatibel
  • Falsches Produkt
  • Nicht bestrahlte / nicht gewaschene Blutkonserve
  • Phänotyp nicht beachtet
  • Bewusste Rhesusumstellung bei Massentransfusion
  • SOP nicht befolgt
  • Falsches Besteck benützt
  • Transfusion nach Ablauf der Gültigkeit des Typ & Screens
  • Lagerung des Blutprodukts nicht korrekt
  • Nicht angepasste Transfusionsmenge
  • Verzögerte Transfusion
  • Transfusionsgeschwindigkeit nicht angepasst
  • Inkorrekte Blutprodukte ID

Die Meldung einer Fehltransfusion hat ungeachtet des Umstandes zu erfolgen, ob beim Patienten eine Transfusionsreaktion aufgetreten ist oder nicht. Treten unerwünschte Wirkungen aufgrund einer Fehltransfusion auf, muss sowohl die Fehltransfusion als solche als auch die dadurch hervorgerufene Transfusionsreaktion gemeldet werden. Diese Fälle werden in die entsprechenden Datenbanken aufgenommen.

Near Miss (NM)

Wer berufsmässig Heilmittel abgibt oder an Menschen anwendet oder als Medizinalperson dazu berechtigt ist, muss gemäss Art. 59 Abs. 3 HMG dem Institut schwerwiegende oder bisher nicht bekannte unerwünschte Wirkungen und Vorkommnisse, Beobachtungen anderer schwerwiegender oder bisher nicht bekannter Tatsachen sowie Qualitätsmängel melden, die für die Heilmittelsicherheit von Bedeutung sind.

Gemäss Art. 4 Abs. 1 Bst. a HMG gehören zu den Arzneimitteln auch Blut und Blutprodukte. Der erläuternde Bericht zur Arzneimittelverordnung vom September 2018 führt hierzu Folgendes aus: «Beobachtungen schwerwiegender Tatsachen werden aufgrund der Revision von Artikel 59 Absatz 3 HMG neu aufgenommen. Damit sind namentlich Situationen angesprochen, in denen eine Fehlanwendung eines Arzneimittels zwar vermieden wurde, die aber Fehler bei der Anwendung begünstigen und zu einer erheblichen Gesundheitsgefährdung führen könnten. […]. Im Bereich der Blutprodukte müssen knapp vermiedene Transfusionsfehler ebenfalls gemeldet werden». Damit spricht die Verordnung die sogenannten Near Miss an. Als Near Miss im Bereich der Haemovigilance fallen gemäss Praxiserfahrung insbesondere folgende in Betracht: Patientenverwechslungen bei fast identischen Namen, Bestellung eines falschen Blutprodukts infolge Fehlkommunikation oder Bestellung von Blutprodukten auf Grund präanalytisch bedingt falsch gemessener Hämoglobin-, Thrombozyten- oder Gerinnungs-Werte.

Diese Beispiele veranschaulichen, dass es sich bei Near Miss um Fehler oder Abweichungen von Vorschriften oder Richtlinien handelt, die vor der Transfusion entdeckt worden sind und zu einer Fehltransfusion oder einer Transfusionsreaktion bei einer Empfängerin oder einem Empfänger hätten führen können.

Auch die Meldung von Near Miss dient der Qualitätssicherung und soll weitere Patientinnen und Patienten vor den so identifizierten potenziellen Gefahren bewahren. Mit anderen Worten soll durch das Monitoring der Haemovigilance-Daten und Ursachen aufgezeigt werden, wann und wo im Rahmen der Transfusionskette typischerweise Fehler auftreten. Dies ermöglicht es, künftig Fehler dieser Art durch die Etablierung spezifischer Massnahmen zu verhindern.

Beispiele Near Miss
  • Fehlendes Visum auf dem Auftragsformular
  • Ungenügend beschriftete Proberöhrchen oder Auftragsformular
  • Geringe Diskrepanz zwischen Röhrchen und Auftragsformular
  • Geburtsdatum eines anderen Patienten
  • Fehlende Etikettierung der Proberöhrchen
  • Handling & Storage mit Verwerfen von Produkten
  • Entnahme falsche Proberöhrchen
  • Unterschiedliche Patientenidentifikationen auf Proberöhrchen/Formular
  • Blutentnahme beim falschen Patienten und erst durch Diskrepanzen bei der Blutgruppe entdeckt wird / Wrong Blood in Tube (WBIT)
  • Blutprodukte-Bestellungen für den falschen Patienten
  • Bestellung falsches Blutprodukt
  • Bestellung von Blutprodukten auf Grund präanalytisch bedingte falsch gemessene Hämoglobin, Thrombozyten- oder Gerinnungs-Werte

Meldepflichtige Vorkommnisse bei der Herstellung

Spendenebenwirkungen

Gemäss Art. 58 Abs. 1 HMG überwachen die Swissmedic und die anderen mit dem Vollzug des Heilmittelgesetzes verantwortlichen Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Rechtmässigkeit der Herstellung, des Vertriebs, der Abgabe und der Anpreisung von Heilmitteln. Sie überprüfen mit periodischen Inspektionen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligungen noch erfüllt sind. Die Zuständigkeit von Swissmedic für Inspektionen im Bereich Blut- und Blutprodukte ist in Art. 60 Abs. 2 Bst. b HMG verankert.

Einmal jährlich werden alle Spendenebenwirkungen Grad 1-4 kumulativ durch die Regionalen Blutspendedienste (RBSD) an Swissmedic und an den Blutspendedienst Schweiz gemeldet, damit die Nebenwirkungen, insbesondere mit Blick auf die Inspektionstätigkeiten von Swissmedic, einem regionalen Blutspendedienst zuordenbar sind. Die schwerwiegenden Spendenebenwirkungen des Grades 3 und 4 müssen mit dem Swissmedic-Formular innerhalb von 15 Tagen an Swissmedic gesendet werden.

Beispiele Spendenebenwirkungen

Verletzung von Gefässen

  • Hämatom venös
  • Arterielle Punktion
  • Hämatom verzögert

Verletzung anderer Strukturen (Schmerz)

  • Nervenreizung
  • Armschmerzen unspezifisch (inkl. Sehnenverletzung)

Lokale Infektion / Entzündung

  • (Thrombo-) Phlebitis
  • Cellulitis, Lokale Hautentzündung

Andere Schwere Gefässerkrankungen

  • Tiefe Venenthrombose (DVT)
  • Arteriovenöse Fistel
  • Kompartment-Syndrom
  • Pseudoaneurysma der Brachialarterie
  • Mit oder ohne Bewusstseinsverlust / Komplikationen
  • Mit oder ohne Verletzung
  • Innerhalb oder ausserhalb der Spendeeinrichtung
  • Zitratreaktion
  • Hämolyse
  • Luftembolie
  • Infiltration
  • Lokal
  • Generalisiert/Anaphylaxie
  • Akute kardiale Symptome
  • Myokardinfarkt
  • Herzstillstand
  • Transitorische Ischämische Attacke (TIA)
  • Cerebrovaskuläres Ereignis
  • Tod

Qualitätsmängel und Schutzmassnahmen

Die Person, die eine Bewilligung für Tätigkeiten mit Blut und labilen Blutprodukten innehat, muss gemäss Art 37 Abs. 1 AMBV sofort die notwendigen Schutzmassnahmen treffen, insbesondere wenn sie feststellt, dass die spendende Person anlässlich der Blutspende die Kriterien für die Spendetauglichkeit nicht erfüllt hat, die Tests auf übertragbare Krankheiten nicht vorschriftsgemäss durchgeführt worden sind, oder eine durch Blut übertragbare Krankheit beim Spender festgestellt wurde.

Die Meldungen hinsichtlich Qualitätsmängeln betreffen in den meisten Fällen Infektmarker, die bei positiv getesteten Spendern festgestellt werden. Zudem beinhalten sie die Dokumentation allfälliger durch diesen Befund ausgelösten weiteren Abklärungen bezüglich früheren Spenden derselben Person und/oder allenfalls weiteren Blutspenderinnen und Blutspendern».

Der Blutspendedienst meldet mit dem Swissmedic-Formular die Daten des Spenders, die positiven Infektmarker sowie bei einen Mehrfachspender die Daten der vorletzten Spende. Zudem ist anzugeben, ob ein Look back Verfahren (Rückverfolgungsverfahren) ausgelöst worden ist und das Expositionsrisiko zu beschreiben. Ferner sind die getroffenen Massnahmen betreffend die Spender darzulegen und die entnommenen Blutprodukte zu bezeichnen.

Qualitätsmängel und Schutzmassnahmen können aber auch die Anwender betreffen. Zum einen müssen laut Art. 37 Abs. 4 AMBV Institutionen (i.d.R. Spitäler und Arztpraxen), welche Blut und labile Blutprodukte an Patientinnen und Patienten anwenden, bei Abklärungen den Herstellerinnen auf Anfrage die relevanten Informationen zur Anwendung des labilen Blutprodukts sowie zum Abschluss des Look back Verfahrens übermitteln. Zum anderen können Qualitätsmängel eines Produktes erst im Spital erkannt werden. Diese sind gemäss Art. 63 Abs. 1 Bst. c VAM der Swissmedic zu melden.

Qualitätsmängel sind umgehend dem Blutspendedienst zu melden, da in gewissen Fällen (z.B. bei Verdacht auf eine bakterielle Kontamination des Blutproduktes) weitere Produkte des Spenders unverzüglich gesperrt oder zurückgerufen werden müssen.

 

Beispiele Qualitätsmängel und Schutzmassnahmen
  • Sicherheitsrisiken für Blutspender: Vorkommnisse, welche die Gesundheit des Blutspenders gefährden
  • Spender- und Spendenverwechslungen
  • Irrtümliche Freigabe, Falschetikettierungen
  • Freigabe von Blutprodukten, welche nicht den Spezifikationen entsprechen
  • Defekte Geräte, Materialien oder Reagenzien
  • Fehlerhafte Testung
  • Vermutete Qualitätsmängel
  • Nachweis einer durch Blut übertragbaren Infektion bei einem Blutspender

Look back Verfahren

  • Spenderbezogener Look back (SLB)
    Wird bei einem Mehrfachspender eine Infektion durch das Hepatitis B-Virus, Hepatitis C-Virus, Hepatitis E-Virus, HIV oder parasitär übertragbare Erreger (z.B. Malaria oder Chagas) festgestellt und liegt das Resultat einer bestätigt positiven Blutprobe vor, so wird gemäss Art. 35 Abs. 2 i.V.m. Art. 37 Abs. 1 Bst. c und Abs. 3 AMBV ein spenderbezogener Look back (SLB) ausgelöst. In diesem Fall wird die Probe der vorherigen Spende oder in speziellen Fällen auch mehrerer Spenden nachgetestet und in Falle eines positiven Resultats müssen die entsprechenden Empfänger informiert und ebenfalls getestet werden.

  • Patientenbezogener Look back (PLB)
    Entwickelt eine Patientin oder Patient nach einer Transfusion eine Infektion, die auf eine spendende Person zurückgeführt werden kann, wird entsprechend Art. 37 Abs. 1 Bst. d und Abs. 3 AMBV ein patientenbezogener Look back (PLB) ausgelöst.

    Bei Look back Verfahren müssen die Anwender nach Art 37 Abs. 4 AMBV auf Anfrage dem Hersteller sowie der Swissmedic die relevanten Informationen zur Anwendung des labilen Blutprodukts und zum Abschluss des Rückverfolgungsverfahrens übermitteln.


Der Prozess der Rückverfolgungsverfahren für SLB und PLB wurde in Zusammenarbeit mit der Blutspende SRK Schweiz und der Swissmedic ausgearbeitet. Die Prozesse werden in den Vorschriften der Blutspende SRK Schweiz (vgl. Kapitel 24) schematisch dargestellt und erklärt.