Benchmarking 2020 – Vergleich der Schweizer Zulassungszeiten für Humanarzneimittel mit EU/USA und Analyse der Schweizer Zulassungsprozesse

18.08.2020

Die pharmazeutischen Firmen und Swissmedic haben 2020 zum siebten Mal die gemeinsame Benchmarking Studie der Zulassungszeiten für Humanarzneimittel durchgeführt. Mit der Gegenüberstellung der Zulassungszeiten der European Medicines Agency (EMA), der US Food and Drug Administration (FDA) und Swissmedic konnte die Leistung der Swissmedic als kleine, unabhängige, nationale Zulassungsbehörde mit den Leistungen der grossen, internationalen Referenzbehörden verglichen werden. Neben dem internationalen Benchmarking enthält die Studie auch eine differenzierte Analyse der nationalen Zulassungsprozesse.

Einleitung

Die ausgewerteten Daten umfassen die im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 21. Dezember 2019 abgeschlossenen Gesuche und bilden damit die Übergangsphase zwischen dem alten und neuen Heilmittelrecht ab, welches per 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist (Heilmittelgesetzesrevision HMG2). Neben vielem mehr brachte diese eine Anpassung der Struktur für Änderungsgesuche an diejenige der EMA. Vorliegend relevant ist insbesondere die neue Einteilung der Indikationserweiterung als Type II Änderung bei gleichzeitiger Kürzung der Bearbeitungsfrist von total 480 auf 390 Kalendertage (Standardverfahren). Von den im 2019 abgeschlossenen analysierten Gesuchen wurden allerdings erst 12 Prozent nach den neuen Vorgaben bearbeitet. Die nächstjährige Studie zum Geschäftsjahr 2020 wird allfällige Auswirkun-gen besser repräsentieren.

Für die Periode 2019 wurden erstmals auch Gen- und Zelltherapieprodukte berücksichtigt sowie eine gesonderte Auswertung zu den neuzugelassenen Biosimilars erstellt. Verzichtet wurde hingegen auf eine Untersuchung der mit HMG2 umstrukturierten wesentlichen Ände-rungen (z.B. neue Darreichungsform, neue Dosierungsempfehlung).

An der aktuellen Benchmarking Studie haben 76 Firmen (-4 Prozent) teilgenommen. Sie decken 83 Prozent des gesamten Marktes, respektive 88 Prozent des Marktes mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ab. Diese hohen Anteile ermöglichen es, aus den Analysen aussagekräftige Schlüsse zu ziehen.

Internationales Benchmarking: Swissmedic im Vergleich mit EMA und FDA

Bei den Neuanmeldungen neuer aktiver Substanzen (NA NAS) im Standardverfahren liegt der Medianwert für die Gesamtdurchlaufzeit in der Schweiz bei 555 Kalendertagen (KT) im Vergleich zum Vorjahr (+4 Prozent), jener der EMA bei 401 KT (-0,2 Prozent) und derjenige der FDA bei 318 KT (-13 Prozent).

Der Medianwert der Gesamtdurchlaufzeit von Indikationserweiterungen (IE) im Standardverfahren liegt in der Schweiz bei 380 KT (-9 Prozent), in der EMA bei 294 KT (+8 Prozent) und der FDA bei 304 KT (+0,3 Prozent). Im internationalen Vergleich ist die Zeit bis zur Zulassung in der Schweiz trotz der erzielten Beschleunigung länger. Mit zunehmendem Anteil an Gesuchen, welche nach dem mit HMG2 gekürzten Fristenmuster bearbeitet werden, sollten sich die Bearbeitungszeiten jedoch künftig weiter reduzieren.

Bei den bekannten Wirkstoffen (BWS) ohne Innovation (Generika) im Standardverfahren liegt der Swissmedic-Medianwert für die Gesamtdurchlaufzeit bei 501 KT (+2 Prozent), jener der EMA bei 397 KT (-19 Prozent) und der FDA bei 1298 KT (-44 Prozent). Werden die Gesuche im Verfahren nach Artikel 13 HMG bearbeitet, ist die Zulassungszeit gegenüber dem Standardverfahren um 41 Prozent reduziert und liegt im Median bei nur 295 KT (+4 Prozent). Im 2019 wurden 44 Prozent (Vorjahr 49 Prozent) der Gesuche um BWS ohne Innovation im Verfahren nach Artikel 13 HMG abgewickelt.

Auch zu den BWS mit Innovation ist bei Anwendung von Artikel 13 HMG (56 Prozent der Gesuche) die Gesamtdurchlaufzeit gegenüber dem Standardverfahren um 52 Prozent reduziert.

Bei den Neuanmeldungen von Biosimilars im Standardverfahren liegt der Medianwert für die Gesamtdurchlaufzeit in der Schweiz neu bei guten 469 KT (-31 Prozent), jener der EMA bei 440 KT und der FDA bei 304 KT.

Nationales Benchmarking

Neue aktive Substanzen und Biosimilars

Zur erhöhten Gesamtdurchlaufzeit für NA NAS scheint einerseits die verlängerte Antwortzeit der Firmen auf die List of Questions beizutragen, andererseits kam es oft zu zusätzlichen Textprüfungsrunden, welche zudem langwieriger verliefen als im Vorjahr. Im Kontrast dazu wurde die Zulassungszeit von Biosimilars um rund einen Drittel reduziert. Diese Beschleunigung ist den deutlich schnelleren Antwortzeiten der Firmen und den nur noch vereinzelt notwendigen zusätzlichen Textprüfungsrunden zu verdanken.

Optimierung Labelling-Phase

Die Dauer der wissenschaftlichen Begutachtung zwischen den Meilensteinen «Dok. i.O.» und «Vorbescheid Gutheissung» bewegt sich auf Augenhöhe mit derjenigen der FDA und andern führenden Zulassungsbehörden (siehe Publikation vom 3. Juli 2020). Bereits aus früheren Benchmarking Studien wurde klar, dass in möglichst wenigen zusätzlichen Textprüfungsrunden resp. zweiten Vorbescheiden der Schlüssel zur Prozessbeschleunigung liegt. Wie die vorliegenden Zahlen jedoch belegen, haben die in den vergangen Jahren getroffenen Massnahmen (siehe Swissmedic Journal 07/2017 und 05/2019) noch nicht die gewünschte Wirkung erzielt: Nach wie vor sind zusätzliche Textprüfungsrunden resp. ein zweiter Vorbescheid häufig (70 Prozent der NA NAS). Dabei gehen im Median ca. 100 KT verloren, wobei zwei Drittel davon auf das Konto der Bearbeitungszeit bei Swissmedic geht. Hier besteht wesentlicher Handlungsbedarf (siehe Ausblick).

Ausblick

Mit der Gesetzesrevision HMG2 wurden mit den Verfahren nach Artikel 14 Abs. 1 Bst. abis-quater HMG sowie der Möglichkeit der befristeten Zulassung weitere Vereinfachungen mit dem Ziel der beschleunigten Verfügbarkeit am Markt geschaffen. Die AG Benchmarking hofft, dass das Potential dieser Verfahren genutzt wird und in zukünftigen Studien ebenfalls ausgewertet werden kann.

Ausserdem wurden mit HMG2 die Anwendung des Verfahrens nach Art. 13 HMG auf Biosimilars erweitert. Dies sollte sich für das Geschäftsjahr 2020 in einer markanten Reduktion der Gesamtdurchlaufzeit niederschlagen.

Als Reaktion auf die unbefriedigende Situation zur Labellingphase hat Swissmedic weitere Massnahmen ergriffen, um den Labelling-Dialog zukünftig im direkten Austausch mit den Firmen früher anzustossen (siehe Swissmedic Journal 06/2020) und den Begutachtungsprozess wann immer möglich nach dem Vorbescheid direkt abzuschliessen. Weitere Begleitmassnahmen zum Labelling-Dialog sind im Austausch mit den Industrieverbänden in Erarbeitung.

Letzte Änderung 18.08.2020

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