Swissmedic warnt vor kosmetischen Behandlungen mit Botulinum-Toxin

12.06.2008 - Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic warnt vor gefährlichen Nebenwirkungen des „Anti-Falten-Mittels" Botulinum-Toxin. Grund für die Warnung: Swissmedic erkennt ein zunehmendes Problem in der unkontrollierten Anwendung von Präparaten mit diesem Wirkstoff im kosmetischen „off label use". Darunter versteht man den Einsatz von Medikamenten ausserhalb der in der Arzneimittelinformation zugelassenen Anwendungen. Die muskellähmende Wirkung des Nervengiftes Botulinumtoxin Typ A wird in der Schweiz zunehmend bei kosmetischen Behandlungen beliebiger Hautfalten eingesetzt.

Die Anwendung für diese Zwecke wird von kommerziellen Anbietern oft fälschlicherweise als einfache und unkomplizierte Kosmetik angepriesen und als unbedenklicher Bagatelleingriff verharmlost. Im Gegensatz dazu steht die medizinisch sinnvolle und gerechtfertigte Anwendung von Botulinum-Toxin, besonders bei Krankheiten des Nervensystems.

Laut Art. 26 des HMG hat der Arzt dann die Möglichkeit Arzneimittel zu verschreiben, wenn der Gesundheitszustand des Patienten bekannt ist. Auf Grund seiner Sorgfaltspflicht muss er dabei die anerkannten Regeln und der aktuellen Stand der medizinische Wissenschaft berücksichtigen. In diesem Rahmen ist der „off label use" von Medikamenten bei Erkrankungen oft sinnvoll. Der Entscheid dazu liegt in der Therapiefreiheit des Arztes.
Für einen solchen Arzneimitteleinsatz ausserhalb der von Swissmedic gutgeheissenen Anwendungen trägt alleine die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt die Verantwortung. Für Swissmedic ist es zumindest fraglich, wie bei einem kosmetischen „off label use" die vom Gesetz verlangte ärztliche Sorgfaltspflicht eingehalten wird. Solche Behandlungen werden bei der Anpreisung oft bagatellisiert, beispielsweise dadurch, dass sie bei Frauen bereits ab 30 Jahren als vorbeugende Massnahme empfohlen werden.

In der Schweiz sind die Medikamente Dysport®, Botox® und Vistabel® mit dem Wirkstoff Botulinumtoxin für verschiedene medizinische Anwendungen zugelassen. Sie sind in die Abgabekategorie A eingeteilt und unterstehen damit der verschärften Rezeptpflicht. Vistabelâ hat als einziges dieser drei Medikamente eine kosmetische Indikation, und zwar ausschliesslich für die Behandlung von schweren Stirnfalten über der Nasenwurzel (Glabellafalten) bei Erwachsenen. Für alle anderen kosmetischen Anwendungen ist das Mittel nicht zugelassen, ein günstiges Verhältnis zwischen Nutzen und Risiken somit von Swissmedic nicht anerkannt. Es liegt auf der Hand, dass bei kosmetischen Behandlungen besonders hohe Ansprüche an die Sicherheit zu stellen sind.

Zudem dürfen diese Mittel nur von Fachärzten angewendet werden, die mit der Applikation von Botulinum Typ A die notwendige Erfahrung haben und mit der hierfür erforderlichen Technik vertraut sind. Bei Anwendung im Halsbereich kann sich die Substanz örtlich ausbreiten und dann zu Schluck- und Atembeschwerden führen. Werden grössere Mengen in den Kreislauf aufgenommen, kann es zu Lähmungen kommen. Im schlimmsten Fall besteht die Gefahr des Erstickens. Swissmedic weist in diesem Zusammenhang auf Berichte der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA hin.

Weitere Information:
Botulinumtoxin ist ein Komplex von mehreren Proteinen. Es blockiert die Reizübertragung von der Nervenzelle auf den Muskel und entspannt oder lähmt dadurch den Muskel. Als Medikament wird es zum Beispiel zur Behandlung von Krankheiten des Nervensystems, die zu Bewegungsstörungen und Muskelverkrampfungen (Spastizität) führen, eingesetzt.

Die Wirksamkeit von Botulinumtoxin Typ A wird im so genannten LD50-Verfahren getestet: In Tierversuchen ermittelt man die Menge einer Substanz, bei deren Verabreichung die Hälfte der Tiere stirbt (LD50 = tödliche Dosis bei 50% der Tiere). Dazu wird Mäusen eine Substanz in verschiedenen Dosen per Magensonde zugeführt. Jede Freigabe einer Charge erfordert neue Tierversuche.

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