Schwangerschaft, Geburtshilfe, Stillzeit

Arzneimittel bei Schwangeren und stillenden Müttern

Schwangere und stillende Mütter bzw. deren ungeborene und gestillte Kinder stellen eine besonders empfindliche und gleichzeitig auch heterogene Patientengruppe dar: In der Schwangerschaft kann die Vielzahl von physiologischen Anpassungen zu Veränderungen der Wirksamkeit von gewissen Arzneimitteln führen. Wirkstoffe werden teilweise anders im Körper verteilt, abgebaut oder ausgeschieden, d.h. ihre Pharmakokinetik ist verändert und dadurch unter Umständen auch ihre Wirkung (Pharmakodynamik).

Dies erfordert während der Schwangerschaft sowie teilweise auch in der Zeit nach der Geburt Anpassungen in der Dosierung – unter Umständen sogar mehrmals.

Bei der Therapie einer Schwangeren oder einer stillenden Mutter stellt sich zudem immer auch die Frage nach dem Risiko für das ungeborene Kind bzw. den gestillten Säugling. Es gibt durchaus Arzneimittel, welche die Organbildung, Entwicklung und das Wachstum des Kindes im Mutterleib und auch nach der Geburt stören bzw. beeinträchtigen können. Solche und andere Besonderheiten müssen bei der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln an Schwangere und stillende Frauen berücksichtigt werden.

«Off-Label-Use» bei Schwangeren oder Stillenden

Eine Anwendung bei Schwangeren und Stillenden kann nur dann behördlich zugelassen werden, wenn klinische Studien in der entsprechenden Gruppe von Patientinnen durchgeführt und im Rahmen des Zulassungsverfahrens geprüft wurden. Mit wenigen Ausnahmen sind Medikamente für diese Patientengruppe nicht entwickelt bzw. zugelassen und ihre Anwendung geschieht daher oft als so genannter «Off-Label-Use» (d.h. ausserhalb der genehmigten Arzneimittelinformation). Dieser ist gemäss Heilmittelgesetz erlaubt, sofern die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften beachtet werden.

Die Gründe, weshalb für die Behandlung von Erkrankungen in der Schwangerschaft und Stillzeit weniger in Forschung und Entwicklung investiert wurde und wird, sind vielschichtig. Zum einen ist es die komplexe Situation, die sich durch die sich ändernde Physiologie der therapiebedürftigen Frauen während der Schwangerschaft und Stillzeit ergibt, andererseits die Vulnerabilität sowie die begrenzte Grösse der Patientengruppe. Studien müssten so angelegt sein, dass sie alle beteiligten Individuen (Schwangere, stillende Mutter, Kind) möglichst langzeitig beobachten. Bei Pharmakokinetikuntersuchungen sind sämtliche Kompartimente (mütterliches Blut, kindliches Blut, Muttermilch) zu berück­sichtigen, um die Verteilung und den Abbau der Wirkstoffe in allen Phasen der Schwangerschaft und während der Stillzeit beurteilen und eine entsprechende Dosierung festlegen zu können.

Die geschilderte Situation spiegelt sich auch in der Fachinformation (Arzneimittelinformation für Medizinalpersonen) wider; sie berücksichtigt die Patientengruppe der Schwangeren und Stillenden oft unzureichend respektive mit wenig präzisen Informationen. Viele Arzneimittel, die täglich bei Schwangeren im Off-Label-Use eingesetzt werden, sind schon seit Jahrzehnten auf dem Markt. Dennoch finden sich in Publikationen von wissenschaftlichen Zeitschriften oft nur wenige Daten zu dieser Patientengruppe.

Interdisziplinäres Netzwerk Medizin und Pharmazie

Die dargestellte Problematik wurde von Fachpersonen vor langer Zeit erkannt und z.T. beschrieben. In einem Netzwerk der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Perinatale Pharmakologie (SAPP) haben sie sich zusammengetan, um die vorhandenen Daten aus der Literatur zu sammeln und damit eine evidenzbasierte Grundlage zur Medikamentenanwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit zu schaffen.

Im Vordergrund steht dabei die Evaluation und Offenlegung der vorhandenen evidenzbasierten Daten für diejenigen Medikamente, die ohne entsprechende Zulassung für diese Patientengruppe täglich angewendet werden. Auch wenn sich damit der Status des Off-Label-Use für diese Medikamente nicht ändert, so lässt sich doch die Sicherheit ihrer Anwendung erhöhen. 

Meldung unerwünschter Arzneimittelwirkungen bei Mutter und (ungeborenem) Kind

Im Interesse der Sicherheit einer Arzneimittelanwendung und der kontinuierlichen Verbesserung der Arzneimittelinformation müssen vermutete unerwünschte Wirkungen an Swissmedic gemeldet werden. Die Meldung sollte elektronisch über die Meldeplattform ElViS erfolgen.

In der Schweiz berät das Swiss Teratogen Information Service (STIS) in Lausanne medizinische Fachpersonen zur Anwendung von Arzneimitteln in der Schwangerschaft und Stillzeit. Das STIS sammelt auch Meldungen zur Anwendung von Arzneimitteln in der Schwangerschaft, die das ungeborene Kind möglicherweise schädigen können, und wertet diese aus.

Letzte Änderung 05.12.2017

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