Pflanzliche Stoffe oder deren Zubereitungen werden „zur Stärkung des Organismus“ sowohl in Futtermitteln als auch in Tierarzneimitteln mit spezifischen Indikationen eingesetzt. Es stellt sich folglich die Frage nach der Einstufung derartiger, oral zu verabreichender Zubereitungen als Futtermittel oder als Tierarzneimittel.
Einstufung pflanzlicher Stoffe und Zubereitungen als Futtermittel oder als Tierarzneimittel
Im Gegensatz zur Humanmedizin, in welcher Heilpflanzen in den letzten Jahren basierend auf neuen wissenschaftlichen Untersuchungen wieder vermehrt Eingang in der Arzneimitteltherapie finden, sind in der Veterinärmedizin deutlich weniger wissenschaftliche Daten und Dokumentationen zur Wirkung und Dosierung von Heilpflanzen und Heilpflanzenzubereitungen aus neuerer Zeit verfügbar. Tiermedizinische Kenntnisse zu erwünschten und unerwünschten Wirkungen von Heilpflanzen beruhen somit vorwiegend auf traditionell überliefertem Erfahrungswissen oder auf Anwendungsbeobachtungen beim Tier. Oft werden tierartspezifische Unterschiede unzureichend beachtet und es wird nicht berücksichtigt, dass eine direkte Übertragung von Therapieergebnissen vom Menschen auf unterschiedliche oder sogar alle Tierarten nicht zulässig ist. Dabei stehen besonders die Unterschiede in der Indikation, Dosierung, Resorption und Metabolisierung pflanzlicher Wirkstoffe durch Tiere (z.B. Wiederkäuer, Allesfresser oder Fleischfresser) im Vordergrund. Hinzu kommen spezifische Unverträglichkeiten pflanzlicher Stoffe innerhalb der verschiedenen Tierarten und Tiergruppen.
Bei der Abgrenzungsthematik handelt es sich nicht nur um eine Frage rein theoretischer Natur, sondern die Zuordnung eines Produktes zu den verschiedenen Kategorien hat weit reichende Konsequenzen. So sind im Futtermittelrecht und im Arzneimittelrecht die Anforderungen an Herstellung, Bearbeitung, Bewerbung, Anpreisung, Vertrieb, Abgabe und Überwachung eines Produktes unterschiedlich geregelt. Verschieden sind auch die für den Vollzug zuständigen Behörden wie auch die diesen zur Verfügung stehenden Massnahmen und Sanktionsmöglichkeiten. Nicht zuletzt ist für Arzneimittel ein Zulassungsverfahren erforderlich. Aus diesen Gründen ist eine korrekte Einstufung für die Herstellerin bzw. Vertreiberin des Produktes von wesentlicher Bedeutung.
Ein zur Einnahme bestimmtes Produkt im Grenzbereich zwischen der Futtermittel- und der Arzneimittelgesetzgebung wird in jedem Fall vom Geltungsbereich eines der beiden Gesetze erfasst. Das heisst jedoch noch nicht, dass das betreffende Produkt auch tatsächlich als Tierarzneimittel oder als Futtermittel verkehrsfähig ist. Es ist nämlich durchaus möglich, dass ein Produkt, das als Futtermittel zu qualifizieren ist und demzufolge der Futtermittelgesetzgebung untersteht, nicht verkehrsfähig ist, weil es die einschlägigen futtermittelrechtlichen Normen nicht erfüllt. Auch der umgekehrte Fall (Tierarzneimittel, das als solches nicht verkehrsfähig ist, weil der Gesuchsteller z.B. den erforderlichen Nachweis der Wirksamkeit für die beanspruchte Indikation und Zieltierart nicht erbringen konnte) ist durchaus denkbar. Es kann in einzelnen Fällen also vorkommen, dass Produkte unter den Geltungsbereich der Arzneimittelgesetzgebung bzw. der Futtermittelgesetzgebung fallen, den entsprechenden Anforderungen jedoch nicht genügen und somit weder nach der einen noch nach der anderen Gesetzgebung verkehrsfähig sind.
Das Schweizerische Heilmittelinstitut, Swissmedic und die amtliche Futtermittelkontrolle von Agroscope prüfen in Zusammenarbeit die Einstufungskriterien. Wichtig dabei sind die Zweckbestimmung und Anwendung des Produktes, die pharmakologischen oder ernährungsphysiologischen Eigenschaften der Inhaltstoffe und die Anpreisung1. Ob ein konkretes Produkt am Schluss tatsächlich als Tierarzneimittel oder als Futtermittel eingestuft wird, muss einzelfallweise unter Berücksichtigung aller Merkmale (Zusammensetzung, Herstellung, Verwendungszweck, Anpreisungen, Aufmachung, Kennzeichnung, Zieltierart(en)) abgeklärt werden.
Beispiel: Eine Pflanze kann nicht generell als Tierarzneimittel oder generell als Futtermittel eingestuft werden. Eine Einstufung bezieht sich immer auf ein einzelnes, konkretes Produkt. Sie berücksichtigt sämtliche Merkmale (Konzentration der Pflanze im Produkt, Pflanze oder z.B. Pflanzen-Extrakt, Verwendungszweck, Ernährungszweck / Nährstoffgehalt, Aufmachung, Anpreisungen/Bewerbung, Zieltierart, Heim- oder Nutztier, etc.). Ist das Produkt einer Kategorie und somit einer Gesetzgebung zugeordnet, stellt sich anschliessend die Frage der Verkehrsfähigkeit unter dieser Gesetzgebung. Folglich ist es denkbar, dass das Produkt als Futtermittel einzustufen ist, jedoch als dieses nicht verkehrsfähig ist, weil futtermittelrechtlichen Bestimmungen nicht erfüllt sind.
1 BVGer-Urteil C-4612/2011 vom 29. Oktober 2013
Pflanzliche Wirkstoffe sind pflanzliche Stoffe oder pflanzliche Zubereitungen:
- Pflanzliche Stoffe sind alle ganzen, zerkleinerten oder geschnittenen Pflanzen, Pflanzenteile, Algen, Pilze oder Flechten in unverarbeitetem Zustand, in getrockneter oder frischer Form. Bestimmte Ausscheidungen, welche nicht weiter verarbeitet worden sind, werden ebenfalls als pflanzliche Stoffe betrachtet.
- Pflanzliche Zubereitungen sind dadurch hergestellt, dass pflanzliche Stoffe Behandlungen wie Extraktion, Destillation, Pressung, Fraktionierung, Reinigung, Konzentrierung oder Fermentierung unterzogen werden. Darunter fallen zerriebene, oder pulverisierte pflanzliche Stoffe, Tinkturen, Extrakte, fette Öle, ätherische Öle, ausgepresste Säfte und verarbeitete Exsudate.
Gemäss Artikel 3 Absatz 1 der Futtermittel-Verordnung (FMV; SR 916.307) handelt es sich bei Futtermitteln um Stoffe oder Erzeugnisse, einschliesslich Futtermittelzusatzstoffe, verarbeitet, teilweise verarbeitet oder unverarbeitet, die zur oralen Tierfütterung bestimmt sind. Als ein Alleinfuttermittel gilt ein Mischfuttermittel, das aufgrund seiner Zusammensetzung für eine tägliche Ration ausreicht (Art. 3 Abs. 2 Bst. b FMV).
Im Gegensatz dazu versteht man unter einem Ergänzungsfuttermittel ein Mischfuttermittel, das einen hohen Gehalt an bestimmten Stoffen aufweist, aber aufgrund seiner Zusammensetzung nur mit anderen Futtermitteln zusammen für die tägliche Ration ausreicht (Art. 3 Abs. 2 Bst. d FMV).
Mit der Definition der Tagesration (Art. 3 Abs. 4 Bst. d FMV) als Gesamtmenge der Futtermittel, die ein Tier einer bestimmten Art, Altersklasse und Leistung im Durchschnitt pro Tag benötigt, um seinen gesamten Nährstoffbedarf zu decken, ist ein Erzeugnis demzufolge dann ein Futtermittel, wenn es der Versorgung des Körpers mit Stoffen dient, die dessen normale Entwicklung und Funktion gewährleisten. Sie dienen dem Erhalt des physiologischen Zustandes der Tiere.
Futtermittel dürfen nicht als Heilmittel angepriesen werden (siehe dazu das Glossar „Heilanpreisungen“ auf der Internetseite von Agroscope www.afk.agroscope.ch, unter „Abgrenzung_Futtermittel – Tierarzneimittel“, unter der Bezeichnung „Heilanpreisungen: Liste von nicht erlaubten Formulierungen“). Die Futtermittelbuch-Verordnung (FMBV; SR 916.307.1) untersagt Hinweise irgendwelcher Art, die einem Futtermittel Eigenschaften der Vorbeugung, Erkennung, Behandlung oder Heilung von Krankheiten zuschreiben (Art. 6 Abs. 3 Bst. a FMBV).
Wer Futtermittel entgegen den gesetzlichen Vorgaben der FMV und FMBV herstellt oder in Verkehr bringt, kann gemäss Artikel 173 des Landwirtschaftsgesetzes (LWG; SR 910.1) mit Haft oder Busse bis zu 40’000 Franken bestraft werden.
Arzneimittel – wobei die Definition auch für die Tierarzneimittel gilt – werden in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Heilmittelgesetzes (HMG; SR 812.121) als Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs, die zur medizinischen Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt sind oder angepriesen werden, insbesondere zur Erkennung, Verhütung oder Behandlung von Krankheiten, Verletzungen und Behinderungen definiert. Bei der Auslegung dieser Begriffsbestimmung gilt es, das Kriterium „zur medizinischen Einwirkung auf den tierischen Organismus bestimmt“ zu verstehen.
Der Verwendungszweck eines Tierarzneimittels ist die medizinische Einwirkung auf den tierischen Organismus; dies im Rahmen der Anwendungsbereiche Erkennen, Verhüten und Behandeln (inklusive Heilen und Lindern) von Krankheiten. Dieser Zweck kann ein objektiver (d. h. ein Produkt, das naturgemäss aufgrund seiner Wirkstoffe nur zur medizinischen Einwirkung dienen kann) oder ein subjektiver (d.h. die Zweckbestimmung, welche in erster Linie die Herstellerin oder Vertreiberin dem Produkt zumisst) sein.
Für die Einstufung eines Produktes als Arznei- bzw. Tierarzneimittel ist also einerseits seine Zusammensetzung, anderseits seine überwiegende Zweckbestimmung massgebend. Bei der Beurteilung der überwiegenden Zweckbestimmung ist die Erwartungshaltung des durchschnittlich informierten Verbrauchers zu berücksichtigen. Nimmt er ein Produkt aufgrund der Aufmachung, der Anpreisungen und der Werbeaussagen als Heilmittel wahr? All das, was die Erwartungen eines durchschnittlich informierten Verbrauchers beeinflussen könnte, wird dabei berücksichtigt.
Als Tierarzneimittel gelten ferner pflanzliche Stoffe und Zubereitungen, bei denen die pharmakologischen gegenüber den ernährungsphysiologischen Eigenschaften klar im Vordergrund stehen. Achtung: Da eine pharmakologische Wirkung abhängig von der Dosierung ist, wird bei der Einstufung eines Produktes auch der Gehalt der Pflanze am Gesamtgehalt des Produktes berücksichtigt.
Verwendungsfertige Tierarzneimittel mit pflanzlichen Wirkstoffen, die in Verkehr gebracht werden sollen, müssen vorgängig durch Swissmedic geprüft und zugelassen werden (Art. 9 Abs. 1 HMG). Wer um die Zulassung eines Tierarzneimittels ersucht, muss Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Tierarzneimittels nachweisen, über eine Herstellungs-, Einfuhr oder Grosshandelsbewilligung für Tierarzneimittel verfügen und einen Wohnsitz, Geschäftssitz oder eine Zweigniederlassung in der Schweiz begründet haben (Art. 10 Abs. 1 Bst. a-c HMG).
Wer zulassungspflichtige Arznei- bzw. Tierarzneimittel ohne Zulassung, ohne Bewilligung oder entgegen anderer Bestimmungen des Heilmittelgesetzes herstellt, in Verkehr bringt, verschreibt, importiert, exportiert oder damit im Ausland handelt, kann gemäss Artikel 86 HMG mit Gefängnis oder Busse bis zu 500’000 Franken bestraft werden.
Anwendung von Produkten, die in der Humanmedizin als Medizinprodukte eingestuft werden, bei Tieren
Produkte, die über eine überwiegend physikalische Wirkung verfügen und zu therapeutischen Zwecken beim Menschen eingesetzt werden, gelten als Medizinprodukte. Zu diesen gehören Implantate, Schrittmacher, Spritzen, Kanülen und Katheter. Des Weiteren sind dieser Kategorie auch Produkte zuzurechnen, die auf der Haut aufgetragen oder eingenommen werden, sich aber durch eine rein physikalische Wirkung auszeichnen.
Die Definition des Medizinproduktes wäre eigentlich auch im Veterinärbereich anwendbar. Allerdings wird im Artikel 2 Absatz 2 des Heilmittelgesetzes festgehalten, dass solche Präparate vom Geltungsbereich des Heilmittelgesetzes ausgenommen werden können. Von diesem Recht hat der Bundesrat Gebrauch gemacht, indem er den Geltungsbereich der Medizinprodukteverordnung auf Präparate für den Humanbereich einschränkte.
Das heisst umgekehrt, dass diese Produkte nicht dem Heilmittelrecht unterstellt sind, wenn sie an Tieren angewendet werden. Darum sind sie auch keine Heilmittel.
Da das Heilmittelrecht nicht anwendbar ist, gelten die jeweils zutreffenden übrigen gesetzlichen Bestimmungen. Dies sind beispielsweise das Produktesicherheitsgesetz, Strom- und Elektrizitätsgesetz, das Chemikaliengesetz oder die Futtermittelverordnung. Umfang und Inhalt der Deklaration müssen sich nach den jeweiligen Bestimmungen richten.
Insbesondere Produkte, die als Futtermittel oder Chemikalie (Biozid) auf dem Markt sind, dürfen darum keine Heilanpreisung aufweisen, weil diese nämlich in den jeweiligen gesetzlichen Grundlagen ausdrücklich untersagt sind.
Heilanpreisungen im Veterinärbereich sind damit ausschliesslich zugelassenen Arzneimitteln mit einer pharmakologischen Wirkung vorbehalten.
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