Kurzbericht Zulassung – Tibsovo®

Kurzbericht Arzneimittelzulassung vom 13.12.2024

Tibsovo® (Wirkstoff: Ivosidenib)

Zulassung in der Schweiz: 13.06.2024

Filmtabletten zur Behandlung Erwachsener mit akuter myeloischer Leukämie (AML) mit einer Isocitratdehydrogenase-1-R132-Mutation (IDH1) oder fortgeschrittenem metastasierendem Gallengangkrebs mit einer IDH1-R132-Mutation

Über das Arzneimittel

Tibsovo enthält den Wirkstoff Ivosidenib und wird zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit bestimmten Krebserkrankungen, die mit einer spezifischen Veränderung (Mutation) eines Gens in Verbindung stehen, angewendet.

Tibsovo wird angewendet zur Behandlung von erwachsenen Patientinnen und Patienten mit:

  • neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie (AML) in Kombination mit einem Arzneimittel, das den Wirkstoff Azacitidin enthält, wenn die Patientinnen und Patienten nicht für eine intensive Chemotherapie in Frage kommen.  Ausgeschlossen von einer Behandlung mit dem Arzneimittel Tibsovo sind Patientinnen und Patienten mit akuter Promyelozyten-Leukämie (APL).
  • Gallengangkrebs (Cholangiokarzinom). Tibsovo wird als Monotherapie zur Behandlung von Patienten eingesetzt, deren Gallengangkrebs sich auf andere Teile des Körpers ausgebreitet hat und die Behandlung mit mindestens einer anderen medikamentösen Therapie nicht mehr wirksam ist.

Tibsovo wird bei Patientinnen und Patienten angewendet, deren AML oder Gallengangkrebs mit der Mutation des Gens, welches für die Produktion des Proteins IDH1[1] (IDH1-R132-Mutation) verantwortlich ist, in Zusammenhang steht

AML ist ein schnell fortschreitender, schwer zu behandelnder Blutkrebs und eine der häufigsten Leukämiearten bei Erwachsenen. Ohne Behandlung führt AML bei betroffenen Patientinnen und Patienten rasch zum Tod.

Gallengangkrebs ist ebenfalls eine lebensbedrohliche Krebserkrankung mit einer schlechten Prognose.

Für beide Krebserkrankungen sind in der Schweiz bisher keine zielgerichteten Kombinationstherapien gegen IDH1-Mutationen zugelassen.

Da es sich bei diesen Krebserkrankungen um seltene und lebensbedrohende Erkrankungen handelt, wurde das Arzneimittel Tibsovo als «Orphan Drug» zugelassen. Mit «Orphan Drug» werden wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten bezeichnet.

[1] IDH1: Isocitratdehydrogenase-1 ist ein Enzym

Wirkung

Durch die Veränderung des Gens, welches die Produktion des Enzyms IDH1 steuert, wird der Mechanismus zur Bildung von gesunden Zellen gestört.

Durch die Mutation des Enzyms IDH1 können entartete Zellen gebildet werden, was zur Entstehung von Krebs führen kann.

Tibsovo blockiert das veränderte IDH1-Enzym und hilft dabei, das Wachstum der Krebszellen zu verlangsamen oder zu stoppen.

Anwendung

Das Arzneimittel Tibsovo mit dem Wirkstoff Ivosidenib ist verschärft rezeptpflichtig und als Filmtabletten in der Dosis 250 mg erhältlich.

Die Ärztin oder der Arzt wird vor Beginn der Therapie das Vorliegen einer IDH1-R132-Mutation bestätigen und die Patientinnen und Patienten bei der Behandlung engmaschig begleiten.

Die übliche Anfangsdosis beträgt 2 Filmtabletten (500 mg) einmal täglich.

Den Patientinnen und Patienten, welche an ALM erkrankt sind, wird zusätzlich zu Tibsovo ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Azacitidin in die Vene verabreicht.

Die Behandlung sollte fortgesetzt werden, bis die Krebserkrankung fortschreitet. Die Ärztin oder der Arzt wird die Therapie abbrechen, wenn die Patientin oder der Patient an unerwünschten Nebenwirkungen leidet und daher eine weitere Therapie nicht mehr angemessen ist.

Wirksamkeit

AML

Die Wirksamkeit von Tibsovo wurde im Rahmen einer placebokontrollierten[2] klinischen Studie (AG120-C-009) an 146 erwachsenen Patientinnen und Patienten mit zuvor unbehandelter AML und IDH1-Mutation untersucht. Die Studienteilnehmenden erfüllten die Voraussetzungen für eine intensive Chemotherapie nicht. Die Patientinnen und Patienten erhielten entweder 500 mg Tibsovo oder ein entsprechendes Placebo einmal täglich in Kombination mit Azacitidin während 1 Woche alle 4 Wochen bis zum Ende der Studie, bis zum Fortschreiten der Krankheit oder bis zum Auftreten von schweren Nebenwirkungen.

Die Studie konnte zeigen, dass das mediane[3] Gesamtüberleben (OS) der mit Tibsovo behandelten Patientinnen und Patienten im Vergleich mit dem Scheinmedikament höher war. Eine aktualisierte Analyse des OS bestätigte den Vorteil von Tibsovo in Kombination mit Azacitidin hinsichtlich des Gesamtüberlebens im Vergleich zu Placebo in Kombination mit Azacitidin mit einem medianen OS von 29,3 Monaten bzw. 7,9 Monaten für Placebo.

Gallengangkrebs

Die Wirksamkeit von Tibsovo wurde in einer placebokontrollieren klinischen Studie (AG120-C-005) an 185 erwachsenen Patientinnen und Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Gallengangkrebs mit einer IDH1-R132-Mutation, deren Krankheit nach mindestens 1, aber nicht mehr als 2 vorangegangenen Behandlungen fortgeschritten war, untersucht.

Die Studienteilnehmenden erhielten entweder 500 mg Tibsovo einmal täglich oder ein Placebo bis zum Fortschreiten der Krankheit oder bis zum Auftreten von schweren Nebenwirkungen.

Die Studie konnte zeigen, dass die Zeitspanne bis zum Wiederauftreten des Krebses der mit Tibsovo behandelten Patientinnen und Patienten im Vergleich zu den Patientinnen und Patienten in der Placebo-Gruppe deutlich länger war.   

Eine aktualisierte OS-Analyse zum Ende der Datenerhebung zeigte ein medianes OS von 10,3 Monaten für Tibsovo gegenüber 7,5 Monaten für Placebo.

[2] Placebo: Scheinmedikament

[3] Median: Der Wert, der genau in der Mitte einer Datenverteilung liegt, nennt sich Median oder Zentralwert. Die eine Hälfte ist immer kleiner, die andere grösser als der Median.

Vorsichtsmassnahmen, unerwünschte Wirkungen & Risiken

Tibsovo darf bei einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe nicht angewendet werden.

AML

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen (Betrifft mehr als 1 von 10 Anwenderinnen und Anwendern) sind Ermüdung, Erbrechen, Veränderungen im EKG, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Schwindel, Rückenschmerzen, Nasenbluten und verminderte Anzahl weisse Blutkörperchen.

Bei Patientinnen und Patienten kann eine schwerwiegende Nebenwirkung, das so genannte Differenzierungssyndrom, auftreten, welches bei Nichtbehandlung lebensbedrohlich sein kann.

Gallengangkrebs

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen (Betrifft mehr als 1 von 10 Anwenderinnen und Anwendern) sind Ermüdung, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, verminderter Appetit, Blutarmut, Kopfschmerzen, Ansammlung von Flüssigkeit im Bauchraum und Hautausschlag.

Alle Vorsichtsmassnahmen, Risiken und weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind in der Patientinnen- und Patienteninformation (Packungsbeilage) sowie in der Fachinformation aufgeführt.

Begründung des Zulassungsentscheids

In der Studie wurde bei Patientinnen und Patienten mit AML mit einer IDH1-R132-Mutation, die mit Tibsovo behandelt wurden, eine deutliche Verlängerung des Gesamtüberlebens gezeigt.

Bei Patientinnen und Patienten mit Gallengangkrebs mit einer IDH1-R132-Mutation, die Tibsovo erhielten, konnte die Studie eine Verlangsamung des Wiederauftretens der Krebserkrankung und ein verlängertes Gesamtüberleben gegenüber dem Placebo zeigen.

Die Behandlung mit Tibsovo stellt somit eine wichtige therapeutische Option für Patientinnen und Patienten, die an AML oder Gallengangkrebs mit der IDH1-R132-Mutation erkrankt sind, dar.

Unter Berücksichtigung aller Risiken und Vorsichtsmassnahmen und aufgrund der vorliegenden Daten überwiegen die Vorteile von Tibsovo die Risiken. Swissmedic hat daher das Arzneimittel Tibsovo mit dem Wirkstoff Ivosidenib für die Schweiz zugelassen.

Weitere Informationen zum Arzneimittel

Information für medizinisches Fachpersonal:

Information für Patientinnen und Patienten (Packungsbeilage):

Weitere Fragen beantworten Gesundheitsfachpersonen.

 

Der Stand dieser Information entspricht demjenigen des SwissPAR. Neue Erkenntnisse über das zugelassene Arzneimittel fliessen nicht in den Kurzbericht Arzneimittelzulassung ein.

In der Schweiz zugelassene Arzneimittel werden von Swissmedic überwacht. Bei neu festgestellten unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder anderen sicherheitsrelevanten Signalen leitet Swissmedic die notwendigen Massnahmen ein. Neue Erkenntnisse, welche die Qualität, die Wirksamkeit oder die Sicherheit dieses Medikaments beeinträchtigen könnten, werden von Swissmedic erfasst und publiziert. Bei Bedarf wird die Arzneimittelinformation angepasst.