Kurzbericht Zulassung – Retsevmo®

Kurzbericht Arzneimittelzulassung vom 07.11.2025

Retsevmo® (Wirkstoff: Selpercatinib)

Indikationserweiterung in der Schweiz: 21.03.2025

Hartkapsel zur Krebsbehandlung bei RET-Genveränderung im Tumorzellenerbgut

Über das Arzneimittel

Retsevmo ist ein Krebsmedikament mit dem Wirkstoff Selpercatinib.

Retsevmo wurde am 04.05.2021 erstmals von Swissmedic befristet zugelassen. Die Zulassung bezog sich auf die Behandlung von bestimmten Krebserkrankungen, die durch abnormale Veränderungen im sogenannten «RET-Gen» verursacht werden. Dazu gehören:

  1. Eine Art von Lungenkrebs mit der Bezeichnung nicht kleinzelliger Lungenkrebs (NSCLC) bei Erwachsenen (sogenanntes RET-fusionspositives NSCLC)
  2. Schilddrüsenkrebs bei Erwachsenen (sogenannter RET-fusionspositiver Schilddrüsenkrebs)
  3. Eine seltene Art von Schilddrüsenkrebs mit der Bezeichnung medullärer Schilddrüsenkrebs (MTC) bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren (sogenannter RET-mutierter medullärer Schilddrüsenkrebs)

Retsevmo wurde für diese Krebserkrankungen zugelassen, wenn die Krankheit trotz vorheriger Behandlungen mit Standardtherapien fortgeschritten war und nicht operativ entfernt werden konnte. Zwischenzeitlich wurden die entsprechenden Zulassungsauflagen erfüllt und die Befristung aufgehoben.

Mit den vorliegenden Indikationserweiterungen vom 21.03.2025 ist Retsevmo nun zusätzlich als Erstlinienbehandlung von erwachsenen Patientinnen und Patienten mit NSCLC befristet zugelassen und als Erstlinienbehandlung von Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit fortgeschrittenem RET-mutiertem MTC ohne besondere Auflagen zugelassen.

Da es sich bei den genannten Erkrankungen um seltene und lebensbedrohende Krankheiten handelt, wurde das Arzneimittel als «Orphan Drug» zugelassen. Mit «Orphan Drug» werden Arzneimittel für seltene Krankheiten bezeichnet.

Die vorliegenden Indikationserweiterungen von Retsevmo wurden gemäss Artikel 13 des Heilmittelgesetzes (HMG) zugelassen. Das bedeutet, dass die Indikationen bereits in einem anderen Land mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle zugelassen sind.

In diesem Fall berücksichtigt Swissmedic die Ergebnisse der von ausländischen Arzneimittelbehörden durchgeführten Prüfungen, sofern bestimmte Anforderungen erfüllt sind. Es geht um Prüfungen zur Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit der Arzneimittel und inwieweit die Ergebnisse für die Schweiz übernommen werden können.

Die Berücksichtigung der Ergebnisse ausländischer Zulassungsverfahren soll dazu beitragen, dass im Ausland bereits zugelassene Arzneimittel den Patientinnen und Patienten in der Schweiz möglichst rasch zur Verfügung stehen.

Für die Zulassung von Retsevmo in der Schweiz hat Swissmedic die Begutachtung und den Zulassungsentscheid der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA; Reference Number EMEA/H/C/005375/0011 und EMEA/H/C/0053l75/II/0014/G) übernommen und lediglich eine begrenzte wissenschaftliche Begutachtung durchgeführt.

Somit verweist Swissmedic im SwissPAR (Swiss Public Assessment Report) und im darauf aufbauenden Kurzbericht Arzneimittelzulassung auf den öffentlich verfügbaren Beurteilungsbericht der Referenzbehörde: www.ema.europa.eu.

Wirkung

Bei Patientinnen und Patienten, deren Krebs durch ein verändertes RET-Gen gekennzeichnet ist, führt die Genveränderung dazu, dass der Körper ein verändertes RET-Protein erzeugt. Dies kann zu unkontrolliertem Zellwachstum und Krebs führen. Retsevmo blockiert die Wirkung des veränderten RET-Proteins und kann auf diese Weise das Krebswachstum verlangsamen oder stoppen. Es kann auch dabei helfen, den Krebs schrumpfen zu lassen.

Anwendung

Retsevmo mit dem Wirkstoff Selpercatinib ist rezeptpflichtig und als Hartkapsel in den Dosisstärken 40 mg und 80 mg erhältlich. Voraussetzung für die Anwendung von Retsevmo ist der Nachweis einer Veränderung des RET-Gens mit einem für die spezifische Veränderung geeigneten molekularbiologischen Test.

Die empfohlene Dosis Retsevmo richtet sich nach dem Körpergewicht der Patientin oder des Patienten: Mit einem Körpergewicht von weniger als 50 kg beträgt sie 120 mg, während bei einem Körpergewicht von 50 kg oder mehr 160 mg eingenommen werden. Die entsprechende Dosis wird zweimal täglich eingenommen, etwa alle 12 Stunden. Sie sollte jeden Tag ungefähr zu den gleichen Uhrzeiten eingenommen werden.

Die Kapseln sind als Ganzes einzunehmen mit einem Glas Wasser, mit oder ohne Nahrung. Die Kapseln dürfen vor dem Schlucken nicht gekaut, zerbrochen oder geöffnet werden.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit für die Indikationserweiterungen von Retsevmo wurden in zwei zentralen Studien untersucht: LIBRETTO-431 und LIBRETTO-531.

Die Studie LIBRETTO-431 zielte darauf ab, die Wirkung von Retsevmo bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit RET-Fusion-positivem, NSCLC zu bewerten, die keine vorherige systemische Therapie[1] für ihre metastatische (ausgebreitete) Erkrankung erhalten hatten. Patientinnen und Patienten wurden randomisiert (zufällig zugeordnet), um entweder Retsevmo oder eine Standardtherapie zu erhalten. Das Ergebniskriterium war das progressionsfreie Überleben (PFS)[2]: Retsevmo zeigte eine Überlegenheit mit einem medianen PFS von 24,84 Monaten im Vergleich zu 11,17 Monaten in der Kontrolltherapie. Zum Zeitpunkt der letzten Analyse wurden mehr Todesfälle im Retsevmo Arm beobachtet.

Die Studie LIBRETTO-531 befasste sich mit der Wirksamkeit von Retsevmo bei Patientinnen und Patienten mit RET-mutiertem MTC, die ebenfalls keine vorherige systemische Therapie erhalten hatten. Studienteilnehmende erhielten entweder Retsevmo oder Standardtherapien (Cabozantinib oder Vandetanib). Diese Studie zeigte, dass Patientinnen und Patienten, die Retsevmo erhielten, ein verbessertes PFS hatten, verglichen mit denjenigen, die die Standardtherapien erhielten.

[1] Systemische Therapie: Im Gegensatz zu einer lokalen Therapie (Behandlung am Ort der Erkrankung) wird bei der systemischen Therapie die Behandlung des gesamten Körpers zur Bekämpfung der Erkrankung eingeschlossen

[2] Progressionsfreies Überleben (PFS): Zeitspanne zwischen dem Start einer Behandlung oder einer klinischen Studie und dem Beginn des Fortschreitens der Krankheit oder dem Tod der Patientin oder des Patienten.

Vorsichtsmassnahmen, unerwünschte Wirkungen & Risiken

Retsevmo darf bei einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe nicht angewendet werden.

Retsevmo kann Nebenwirkungen verursachen, über die der Arzt bzw. die Ärztin unverzüglich in Kenntnis gesetzt werden muss, wie z.B. Lungen- oder Atemprobleme, Leberprobleme, allergische Reaktionen und Bluthochdruck.

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen, die mehr als 20% aller mit Retsevmo behandelten Patientinnen und Patienten betraf, sind Ödeme[3], Mundtrockenheit, Durchfall, hoher Blutdruck, erhöhte Aspartataminotransferase (AST)[4], erhöhte Alaninaminotransferase (ALT)3, erhöhte Kreatinin-Werte im Blut[5], Hautausschlag, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Blutungen, Erschöpfung oder Müdigkeit, Kopfschmerzen, verminderter Appetit und Verstopfung.

Unter der Anwendung von Retsevmo sind weitere, relevante Nebenwirkungen aufgetreten (z.B. QT-Intervall Verlängerung[6]).

Alle Vorsichtsmassnahmen, Risiken und weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind in der Patientinnen- und Patienteninformation (Packungsbeilage) sowie in der Fachinformation aufgeführt.

[3] Ödeme: Flüssigkeitsansammlungen, die zu einem Anschwellen der Hände oder Knöchel führen kann

[4] Aspartataminotransferase (AST) und Alaninaminotransferase (ALT): Dies sind beides Enzyme, welche vor allem in den Leberzellen produziert werden. Erhöhte Blutwerte der Aktivität dieser Enzyme können einen Hinweis auf Erkrankungen im Bereich der Leber darstellen.

[5] Erhöhte Kreatinin-Werte im Blut deuten darauf hin, dass die Nieren nicht ordnungsgemäss arbeiten (Nierenfunktionsstörung)

[6] QT-Intervall Verlängerung: Die QT-Zeit ist eine Messgrösse bei der Auswertung des Elektrokardiogramms (EKG). Eine QT-Verlängerung liegt vor, wenn die Herzfrequenz sehr tief ist und zwischen dem Beginn der Q-Zacke und dem Ende der T-Welle eine Zeit von 550 ms überschritten wird.

Begründung des Zulassungsentscheids

Bei RET-fusionspositivem NSCLC zeigte das Arzneimittel Retsevmo in Studien eine Verbesserung des PFS im Vergleich zur Standardtherapie. Für die Behandlung der RET-mutierten MTC bewies Retsevmo ebenfalls signifikante Verbesserung des PFS gegenüber bestehenden Therapien und zeigte dabei eine geringere Rate schwerer Nebenwirkungen. Retsevmo deckt einen hohen medizinischer Bedarf, da es speziell für Patientinnen und Patienten entwickelt wurde, deren Tumore durch RET-Mutationen verursacht bzw. angetrieben werden.

Unter Berücksichtigung aller Risiken und Vorsichtsmassnahmen und aufgrund der vorliegenden Daten überwiegen die Vorteile der Indikationserweiterungen die Risiken.

Swissmedic hat daher das Arzneimittel Retsevmo mit dem Wirkstoff Selpercatinib zur Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit fortgeschrittenem RET-mutiertem MTC für die Schweiz zugelassen.

Unter Berücksichtigung der aktuell vorliegenden Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Selpercatinib in Vergleich zur Kontrolle war die Nutzen-Risiko Beurteilung negativ für eine Zulassung ohne besondere Auflagen für die Erstlinienbehandlung des NSCLC. Aufgrund der hohen Rate an Patientinnen und Patienten, welche vom Kontrollarm zu Selpercatinib gewechselt haben und des Fehlens einer alternativen zielgerichteten Therapie wurde Retsevmo befristet zugelassen für die Erstlinienbehandlung des NSCLC (Art. 9a HMG).

Die befristete Zulassung ist zwingend an die zeitgerechte Einreichung der von Swissmedic verlangten ergänzenden Daten gebunden. Nach Erfüllung dieser Zulassungsauflagen kann die befristete Zulassung bei positiver Nutzen-Risiko Beurteilung der Resultate in eine Zulassung ohne besondere Auflagen überführt werden.

Weitere Informationen zum Arzneimittel

Information für medizinisches Fachpersonal:

Information für Patientinnen und Patienten (Packungsbeilage):

Weitere Fragen beantworten Gesundheitsfachpersonen.

 

Der Stand dieser Information entspricht demjenigen des SwissPAR. Neue Erkenntnisse über das zugelassene Arzneimittel fliessen nicht in den Kurzbericht Arzneimittelzulassung ein.

In der Schweiz zugelassene Arzneimittel werden von Swissmedic überwacht. Bei neu festgestellten unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder anderen sicherheitsrelevanten Signalen leitet Swissmedic die notwendigen Massnahmen ein. Neue Erkenntnisse, welche die Qualität, die Wirksamkeit oder die Sicherheit dieses Medikaments beeinträchtigen könnten, werden von Swissmedic erfasst und publiziert. Bei Bedarf wird die Arzneimittelinformation angepasst.