Infusionsdispersion zur Behandlung des rezidivierenden und refraktären multiplen Myeloms bei Erwachsenen, die zuvor schon mindestens 3 Therapien erhalten haben
Kurzbericht Arzneimittelzulassung vom 21.03.2025
Abecma® (Wirkstoff: Idecabtagen Vicleucel)
Zulassung in der Schweiz: 20.08.2021
Über das Arzneimittel
Abecma enthält den Wirkstoff Idecabtagen Vicleucel.
Es wird zur Behandlung des fortgeschrittenen multiplen Myeloms («Knochenmarkkrebs») bei Erwachsenen eingesetzt, deren multiples Myelom (MM) nicht auf 3 vorangehende Therapien angesprochen hat (refraktär), einschliesslich eines immunmodulatorischen Wirkstoffes, eines Proteasom-Inhibitors und eines Anti-CD-38-Antikörpers, und deren Erkrankung nach der letzten Behandlung weiter fortgeschritten ist (rezidivierend).
Das MM ist eine seltene Krebsart, welche etwa 1-2 Prozent aller Krebserkrankungen ausmacht. Die Häufigkeit der Neuerkrankungen mit MM nimmt mit dem Alter zu. Zwei Drittel der neuerkrankten Personen sind über 65 Jahre alt. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine übermässige Vermehrung der Plasmazellen. Plasmazellen sind eine Unterart der weissen Blutkörperchen, welche im körpereigenen Abwehrsystem (Immunsystem) für die Produktion von Antikörpern verantwortlich sind. Im Rahmen des MM vermehren sich Plasmazellen unkontrolliert im Knochenmark und manchmal auch in anderen Organen. Dies verhindert die normale Bildung von Blutzellen und kann Knochen und andere Organe zerstören bzw. in ihrer Funktion beeinträchtigen.
Da es sich beim multiplen Myelom um eine seltene und lebensbedrohende Krankheit handelt, wurde Abecma als «Orphan Drug» zugelassen. Mit «Orphan Drug» werden wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten bezeichnet.
Wirkung
Der Wirkstoff in Abecma, Idecabtagen Vicleucel, ist eine Immuntherapie mit gentechnisch veränderten autologen[1] T-Zellen (T-Lymphozyten, gehören zu den weissen Blutkörperchen). Diese Therapie nutzt die eigenen T-Zellen der Patientinnen und Patienten, die so verändert wurden, dass sie das sogenannte B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) auf der Oberfläche von Myelomzellen erkennen und bekämpfen können. Wenn die veränderten T-Zellen wieder in den Körper zurückgeführt werden, binden sie an die Krebszellen, aktivieren und vermehren sich, und helfen so dabei, diese zu zerstören.
[1] Autolog: Zu demselben Individuum gehörig, d.h. hier patienteneigene T-Zellen.
Anwendung
Abecma ist rezeptpflichtig.
Abecma wird als Infusion intravenös (in die Venen) verabreicht, die in einem oder mehreren Infusionsbeuteln geliefert und jeweils 260 bis 500 x 10^6 CAR-positive lebensfähige patientenspezifische T-Zellen enthält. Die empfohlene Behandlung besteht in einer einzigen Infusion von Abecma, die in einem qualifizierten Behandlungszentrum unter Aufsicht und Leitung eines Arztes oder einer Ärztin verabreicht wird.
Wirksamkeit
Die Wirksamkeit von Abecma wurde in der Studie KarMMa untersucht, bei der 128 Patientinnen und Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Multiplem Myelom behandelt wurden. Die Teilnehmenden hatten vorher mindestens drei Therapielinien, einschliesslich eines Proteasom-Inhibitors, eines Immunmodulators und eines Anti-CD38-Antikörpers erhalten.
Die Patientinnen und Patienten erhielten Abecma in einer Dosierung von 150 bis 450 x 10^6 CAR-positive, lebensfähige T-Zellen.
Der primäre Endpunkt der Studie war die Gesamtansprechrate (ORR[2]), die bei 73,4 % lag, wobei 32,8 % der Patientinnen und Patienten eine vollständige Remission erreichten. Remission bedeutet in diesem Zusammenhang das Zurückgehen der Krankheit oder ihrer Symptome.
Die mediane[3] Zeit bis zum Erreichen des Ansprechens betrug 1 Monat. Bei den Patientinnen und Patienten, die eine partielle Remission oder mehr erreichten, betrug die Dauer des Ansprechens (DOR)[4] 10,6 Monate. Für Patientinnen und Patienten, die eine komplette Remission erzielten, betrug die DOR 23,3 Monate.
[2] ORR (objective response rate) ist definiert als prozentualer Anteil von Patientinnen und Patienten mit Ansprechen auf die Therapie.
[3] Median: Der Wert, der genau in der Mitte einer Datenverteilung liegt, nennt sich Median oder Zentralwert. Die eine Hälfte aller Daten ist immer kleiner, die
andere grösser als der Median.
[4] DOR (Duration of Response) ist die Dauer des Ansprechens. Es beschreibt die Zeitspanne, während der der Patient bzw. die Patientin auf eine Behandlung anspricht, also während der der Tumor verkleinert bleibt oder vollständig verschwindet.
Vorsichtsmassnahmen, unerwünschte Wirkungen & Risiken
Abecma darf bei einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe nicht angewendet werden.
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen waren Neutropenie (verminderte Anzahl an bestimmten Gruppen von weissen Blutkörperchen) (91 %), Anämie (Mangel an roten Blutkörperchen) (71 %), Thrombozytopenie (niedrige Anzahl an Blutplättchen) (67 %), Infektionen (54 %), Müdigkeit (42%), Durchfall (36 %), Hypokaliämie (niedriger Kaliumspiegel im Blut) (34 %) und Hypophosphatämie (niedriger Phosphatspiegel im Blut) (33 %).
Es besteht auch ein Risiko für ein Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS)[5], das bei 81 % der Patientinnen und Patienten auftritt.
Schwerwiegende neurologische Nebenwirkungen wie Verwirrtheit, Tremor (Bewegungsstörung), Aphasie (Sprachstörung) und Enzephalopathie (Erkrankungen oder Schädigungen des Gehirns) wurden ebenfalls berichtet.
Alle Vorsichtsmassnahmen, Risiken und weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind in der Patientinnen- und Patienteninformation (Packungsbeilage) sowie in der Fachinformation aufgeführt.
[5] Zytokinfreisetzungssyndrom: Das Zytokinfreisetzungssyndrom ist eine systemische Entzündungsreaktion aufgrund massiver Ausschüttung von Zytokinen (Eiweisse), die die weissen Blutkörperchen aktivieren.
Begründung des Zulassungsentscheids
Zum Zeitpunkt der Zulassung von Abecma gibt es beschränkte Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit rezidiviertem und refraktärem multiplem Myelom, die bereits mindestens drei Therapielinien, einschliesslich eines Proteasom-Inhibitors, eines immunmodulatorischen Wirkstoffs und eines anti-CD38-Antikörpers, erhalten haben.
Abecma ermöglicht für diese Patientengruppe eine weitere Behandlung, indem es eine gezielte Immuntherapie bietet, die malignen Zellen durch genetisch modifizierte autologe T-Zellen eliminiert.
Die durchgeführte Studie zeigte eine rasche und signifikante Ansprechrate und anhaltende Wirksamkeit, wobei die Mehrheit der Patientinnen und Patienten kein Fortschreiten der Krankheit über längere Zeiträume aufwies.
Auch wenn das Arzneimittel potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen haben kann, sind diese durch eine engmaschige Überwachung und rechtzeitige Intervention im Allgemeinen kontrollierbar. Insgesamt überwiegen die positiven Wirkungen von Abecma auf die Gesundheit und Lebensqualität der Patientinnen und Patienten die bekannten Risiken. Auf Grund dieser Erkenntnisse hat Swissmedic das Arzneimittel Abecma, das den Wirkstoff Idecabtagen Vicleucel enthält, in der Schweiz für die Behandlung von rezidiviertem und refraktärem multiplem Myelom zugelassen.
Weitere Informationen zum Arzneimittel
Information für medizinisches Fachpersonal:
Information für Patientinnen und Patienten (Packungsbeilage):
Weitere Fragen beantworten Gesundheitsfachpersonen.
Der Stand dieser Information entspricht demjenigen des SwissPAR. Neue Erkenntnisse über das zugelassene Arzneimittel fliessen nicht in den Kurzbericht Arzneimittelzulassung ein.
In der Schweiz zugelassene Arzneimittel werden von Swissmedic überwacht. Bei neu festgestellten unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder anderen sicherheitsrelevanten Signalen leitet Swissmedic die notwendigen Massnahmen ein. Neue Erkenntnisse, welche die Qualität, die Wirksamkeit oder die Sicherheit dieses Medikaments beeinträchtigen könnten, werden von Swissmedic erfasst und publiziert. Bei Bedarf wird die Arzneimittelinformation angepasst.