Unerlaubte Anwendung von Tierarzneimitteln bei Nutztieren

Ein Risiko auch für die öffentliche Gesundheit

Zwei Landwirte wurden wegen Verstosses gegen das Heilmittelgesetz (HMG, SR 812.21) verurteilt. Sie hatten fahrlässig die Gesundheit von Personen gefährdet, indem sie bewilligungspflichtige Tierarzneimittel einführten und ihren Nutztieren verabreichten und die Behandlung nicht in einem Behandlungsjournal festhielten. Swissmedic möchte bei dieser Gelegenheit auf die Gefahren hinweisen, die mit der unerlaubten Anwendung von Tierarzneimitteln einhergehen.

Wie Menschen können auch Tiere unter Krankheiten leiden, die eine medizinische Behandlung erfordern. Zur Anwendung kommen dabei auch Antibiotika und andere Substanzen mit pharmazeutischer Wirkung wie Schmerzmittel oder Hormone. Genau wie in der Humanmedizin ist die Behandlung schwerer oder schwierig zu diagnostizierender Fälle einer Fachperson vorbehalten, d.h. einem Tierarzt oder einer Tierärztin. Nur sie kann eine fundierte Diagnose stellen und die geeignete Behandlung festlegen.

Eine Besonderheit in der Behandlung von Tieren betrifft die Nutztiere, also Tiere, die zur Produktion von Lebensmitteln wie Milch, Fleisch oder Eiern eingesetzt werden. Die Behandlung dieser Tiere darf in keinem Fall zu Rückständen von Arzneimitteln oder bakteriellen Verunreinigungen in Lebensmitteln führen, die für den menschlichen Verzehr vorgesehen sind. Deshalb sorgen spezifische Bestimmungen dafür, dass durch die tierärztliche Überwachung von Nutztieren und deren Behandlung die Lebensmittelsicherheit gewährleistet wird. Für Nutztiere dürfen nur Arzneimittel angewendet werden, deren Wirkstoffe im Hinblick auf das Risiko von Rückständen in den Lebensmitteln geprüft wurden. Für jeden dieser Wirkstoffe wurde eine «Wartezeit» bestimmt, die festlegt, wie lange die vom behandelten Tier stammenden Lebensmittel nicht für den Verzehr geeignet sind. Diese Frist hängt wesentlich vom Wirkstoff und vom Verabreichungsweg des angewendeten Produkts sowie von der behandelten Tierart ab.

Bei einer Behandlung ist auch immer abzuklären, ob diese wissenschaftlich gerechtfertigt ist. Für die Mehrzahl der bei Nutztieren durchgeführten Behandlungen ist eine Beurteilung des Gesundheitszustands durch einen Tierarzt oder eine Tierärztin erforderlich. Zudem ist die Abgabe von Arzneimitteln abgesehen von Notfällen auf einen Tierarzt oder eine Tierärztin pro Viehbestand beschränkt. Diese Massnahmen sollen zu einer zurückhaltenden und vor allem wissenschaftlich gerechtfertigten Anwendung von Arzneimitteln bei Nutztieren beitragen und so die Interessen der Konsumenten des Produkts wahren.

Um nachweisen zu können, dass die geltenden Bestimmungen eingehalten wurden, muss der Besitzer eines Nutztierbestandes schliesslich alle bei seinem Bestand durchgeführten Behandlungen in einem Behandlungsjournal festhalten. Mit diesem Journal kann die Anwendung von Tierarzneimitteln kontrolliert und sichergestellt werden, dass der Landwirtschaftsbetrieb die erforderlichen Wartezeiten einhält, bevor er die Milch in die Molkerei liefert oder ein Tier schlachten lässt.

Diese Rückverfolgbarkeit aller Produkte in der Kette der Lebensmittelherstellung ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Lebensmittelsicherheit gewährleistet werden kann. Eine Folge dieses Grundsatzes ist das Verbot, Arzneimittel für Nutztiere zum «privaten Gebrauch» einzuführen. Bei Humanarzneimitteln und Arzneimitteln für Haustiere ist die Einfuhr für den persönlichen Gebrauch dagegen unter bestimmten Bedingungen erlaubt.

Fallbeispiele

Swissmedic wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass zwei Landwirte illegal Tierarzneimittel eingeführt hatten. Die beiden Fälle waren dem betreffenden kantonalen Untersuchungsrichter vom Kantonstierarzt gemeldet worden. Auch Swissmedic meldete die Vergehen und beantragte die Vereinigung der Strafverfahren, da sowohl Kantons- als auch Bundeskompetenzen betroffen waren: Die Abgabe und Verabreichung von Heilmitteln fällt in die Zuständigkeit der Kantone, die Einfuhr dagegen in die Zuständigkeit des Bundes.

Die beiden Landwirte hatten sich nach Frankreich begeben, um Tierarzneimittel zu kaufen, ohne über ein entsprechendes Rezept zu verfügen. Dabei handelte es sich um Produkte, die verschreibungspflichtige Substanzen enthalten. Die beiden Landwirte bestätigten, dass sie diese Produkte zur Behandlung von erkranktem Vieh eingesetzt hatten, obwohl sie über keine entsprechende Bewilligung verfügten. Ausserdem hatten sie kein Behandlungsjournal geführt.

Gegen die beiden Landwirte wurde zu Beginn des Jahres ein Strafmandat erlassen. Sie wurden des Verstosses gegen das HMG als schuldig befunden, da sie fahrlässig die Gesundheit von Personen durch die Einfuhr und Verabreichung bewilligungspflichtiger Tierarzneimittel an ihre Nutztiere gefährdet und die Behandlung nicht im Behandlungsjournal festgehalten hatten. In beiden Fällen wurde eine bedingte Geldstrafe von mehreren Tagessätzen und eine Busse ausgesprochen, und die Angeklagten hatten Verfahrenskosten zu tragen. Diese Strafmandate sind in Kraft getreten.


Zweckfremde Verwendung von Tierarzneimitteln und öffentliche Gesundheit

Risiken aufgrund einer fehlenden Dokumentation

In den meisten Fällen wird die Verwendung von Arzneimitteln, die illegal eingeführt wurden, nicht gemeldet. Dann ist es auch unmöglich, sicherzustellen, dass die Primärproduktion von Lebensmitteln den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Durch die fehlende Dokumentation wird die Kontrolle der Wartezeiten verunmöglicht. In der Folge kann absichtlich oder unabsichtlich ein Tier während einer Behandlung oder vor Ablauf der Wartezeit geschlachtet werden und ein Produkt dieses Tieres in die Lebensmittelkette gelangen. Es besteht dabei die Gefahr, dass Rückstände von Antibiotika oder anderen Wirkstoffen in Lebensmittel gelangen, was ein direktes Gesundheitsrisiko darstellt.

Risiken im Zusammenhang mit der eigentlichen Verwendung

Behandlungsentscheid durch den Besitzer des Tieres

Wenn der Besitzer des Tieres verschreibungspflichtige Tierarzneimittel illegal eingeführt hat, ist es unwahrscheinlich, dass er vor deren Verwendung einen Tierarzt oder eine Tierärztin zu Rate zieht.

Er entscheidet sich also für eine Anwendung

  • aufgrund einer durch ihn selbst, ohne tierärztliche Beratung diagnostizierten Indikation
  • in einer selbst berechneten Dosierung
  • für eine von ihm selbst festgelegte Dauer.

Daraus ergeben sich spezifische Risiken:

Im Zusammenhang mit der Indikation
Da die Diagnose nicht durch eine kompetente Fachperson gestellt wird, besteht das Risiko, dass sie nicht treffend ist und insbesondere Differenzialdiagnosen nicht ausgeschlossen werden. In diesem Fall wird das Tier durch die falsche Behandlung nicht geheilt, sondern die Krankheit besteht weiter oder wird nur unzureichend gelindert.
Dies kann folgende Konsequenzen haben:

  • Das Tier leidet stärker und/oder länger, was zwar kein Gesundheitsrisiko für Menschen darstellt, aber im Widerspruch zu Artikel 1 HMG steht und eine Verletzung von Artikel 2 des Tierschutzgesetzes vom 16. Dezember 2005 (TSchG, SR 455) bedeutet.
  • Eine verminderte Qualität der Lebensmittel, wenn der Besitzer davon ausgeht, dass die Krankheit erfolgreich bekämpft wurde, während er in Wirklichkeit zum Beispiel nur die vorherrschenden Symptome behandelt hat. Es ist denkbar, dass sich eine solche «Behandlung» auf die Qualität der Milch auswirkt, zum Beispiel wenn diese durch eine bakterielle Infektion kontaminiert ist, was eine direkte Gesundheitsgefährdung für die Konsumentinnen und Konsumenten darstellt. (Dies gilt insbesondere für den Direktverkauf unpasteurisierter Milch!)
  • Es besteht die Gefahr einer Übertragung von Krankheiten, wenn eine Krankheit nicht richtig behandelt wurde, die auf andere Tiere oder sogar auf den Menschen übertragbar ist, was eine indirekte, aber bedeutende Gefährdung der öffentlichen Gesundheit darstellt.

Im Zusammenhang mit der Dosierung
Es ist für den Besitzer oft schwierig und komplex, die richtige Dosierung für das betroffene Tier zu finden, weshalb Fehler häufig sein dürften. Bei einer Überdosierung sind die für das Arzneimittel festgelegten Wartezeiten nicht mehr gültig. Selbst wenn ein solcher Fehler erkannt wird, können die Wartezeiten nicht einfach linear verlängert werden, da die Pharmakokinetik bestimmter Wirkstoffe komplex ist. Die Besitzer gehen aber oft davon aus, dass es sich bei den Wartezeiten um absolute und sichere Werte handelt. So kann es dazu kommen, dass sie Lebensmittel auf den Markt bringen, obwohl die tatsächlich angemessenen Wartezeiten noch nicht abgelaufen sind. In einer solchen Situation besteht das Risiko von Antibiotikarückständen, was eine direkte Gesundheitsgefährdung für die Konsumentinnen und Konsumenten darstellt.

Bei einer Unterdosierung dagegen ist die Wirksamkeit des Arzneimittels eingeschränkt oder die Behandlung sogar ganz unwirksam. Dies hat nicht nur negative Folgen für das Tier (mit denselben Auswirkungen wie bei einer falschen Diagnose), sondern es besteht durch die anhaltende bakterielle Kontamination eine direkte Gesundheitsgefährdung für die Konsumentinnen und Konsumenten.

Bei zu schwach dosierten Antibiotika besteht ausserdem eine grössere Wahrscheinlichkeit, dass resistente Bakterienstämme selektioniert werden. Die Entstehung von Resistenzen ist mittelfristig ein indirektes, aber bedeutendes Risiko für die öffentliche Gesundheit.

Im Zusammenhang mit der Behandlungsdauer
Die wichtigsten Symptome einer Krankheit können bei einer Behandlung schnell verschwinden, ohne dass die eigentliche Krankheitsursache beseitigt ist. Eine Behandlung wird oft vorzeitig beendet, wenn es an spezifischem Wissen zur betreffenden Krankheit, zu deren genauen Mechanismen und zur entsprechenden Behandlung fehlt. Dies birgt dieselben Risiken wie eine Unterdosierung oder eine Fehldiagnose (unnötiges Leiden, bakterielle Kontamination, Selektion resistenter Bakterienstämme).

Ungenügende Informationsgrundlage

Wenn eine Behandlung, die vom Besitzer mit illegal eingeführten Arzneimitteln begonnen wird, ungenügend oder gar nicht wirkt, wird sich der Besitzer in der Regel an eine Tierärztin oder einen Tierarzt wenden. Dieses Vorgehen ist zwar an sich richtig, die zu Rate gezogene Fachperson wird dabei jedoch wahrscheinlich nicht oder nur unzureichend über die erfolglose Behandlung informiert.

Daraus ergibt sich:

  • Die Diagnose der Tierärztin oder des Tierarztes beruht dann auf unvollständigen Informationen. Aspekte wie die Krankheitsdauer, inzwischen verschwundene Symptome oder unwirksame Behandlungen, bei denen möglicherweise resistente Stämme selektioniert wurden, können dann nicht berücksichtigt werden.
  • Die Tierärztin oder der Tierarzt kann bei der Behandlung mögliche Interaktionen mit Wirkstoffen, die im Organismus immer noch vorhanden sein können, nicht berücksichtigen.
  • Die neue Verschreibung kann zu einer Überdosierung mit den bereits erwähnten Risiken führen.
 

Fazit

Die Anwendung von Tierarzneimitteln muss die Bestimmungen des Gesundheitsrechts erfüllen. Wenn die gesetzlichen Anforderungen nicht eingehalten werden, kann dies eine direkte und konkrete Gefährdung der Gesundheit von Menschen zur Folge haben.

Die in dieser Mitteilung erwähnten Urteile zeigen, wie wichtig es für Landwirtschaftsbetriebe ist, sich an die Bestimmungen des Heilmittelgesetzes zu halten. Sie belegen auch die Bedeutung, die einer treffenden Diagnose und einer geeigneten Behandlung durch die Tierärztin oder den Tierarzt beigemessen wird. Nur diese Fachpersonen verfügen über das Wissen und die Kompetenzen, die erforderlich sind, um diese Verantwortung wahrnehmen zu können.

https://www.swissmedic.ch/content/swissmedic/de/home/legal/strafrecht/ausgewaehlte-publikationen/unerlaubte-anwendung-von-tierarzneimitteln-bei-nutztieren.html