HPC - Anaphylaktische Reaktionen unter Chlorhexidin

05.07.2013 - Der verbreitet eingesetzte antiseptische Wirkstoff Chlorhexidin kann zu akuten Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp (Anaphylaxie) führen. Aufgrund neuerer Meldungen erinnert Swissmedic an dieses sehr seltene, aber potentiell schwerwiegende Risiko und weist auf die Richtlinien zur Behandlung solcher Reaktionen hin.

Chlorhexidin ist ein seit Jahrzehnten weitverbreitetes Desinfektionsmittel und Antiseptikum zur Haut- und Schleimhautanwendung. Wegen seiner guten antimikrobiellen Wirkung ist es in vielen Mundspüllösungen, Haut­cremes, Wundsprays, Gleitmitteln sowie in Pudern und Kosmetika enthalten und wird auch in Medizinprodukten, z.B. zur Imprägnierung von Kathetern und Verbands­materialien verwendet.

Eine Anaphylaxie äussert sich meist in Haut- und oder Schleimhautaffektionen, die mit weiteren Organdysfunktionen wie Atemstörung, Blutdruckabfall, Übelkeit oder Brechreiz einhergehen und kurz nach einem möglichen Allergenkontakt auftreten. Der Anaphylaxie liegt eine Degranulation von Basophilen und Mastzellen mit konsekutiver Freisetzung von Histamin, Leukotrienen, Zytokinen und anderen Mediatoren zugrunde (1, 2).

Es ist davon auszugehen, dass anaphylaktische Reaktionen unter Chlorhexidin sehr selten sind. Die genaue Häufigkeit ist nicht bekannt, jedoch sind eine Zunahme sowie ein „Underreporting" sehr wahrscheinlich (3). Swissmedic liegen 18 Meldungen innerhalb der letzten 8 Jahre über schwer­wiegende anaphylaktische Reaktionen durch chlorhexidinhaltige Arzneimittel vor; bei 9 Patienten bestand Lebensgefahr, ein Patient verstarb. Chlorhexidin wurde intraurethral (Katheterisier­ung), als Mundspüllösung oder topisch angewendet.

Darüber hinaus liegen Swissmedic 6 Meldungen von Vorfällen in den letzten 12 Jahren vor, bei denen zum Teil lebensgefährliche anaphylaktische Reaktionen nach Anwendung von Medizinprodukten auftraten, welche zuvor mit chlorhexidinhaltigen Desinfektionsmitteln gereinigt wurden.

Die Anaphylaxie ist ein medizinischer Notfall, weshalb der frühzeitigen medizinischen Versorgung eine entscheidende Bedeutung zukommt. Mehrere Analysen haben gezeigt, dass die Akutbehandlung schwerer allergischer Reaktionen oft von nationalen und internationalen Leitlinien abweicht. So wird insbesondere Adrenalin, das als wichtigstes Medikament bei der Therapie schwerer allergischer Reaktionen gilt, zu selten und zu spät eingesetzt. Bei Verdacht auf eine akute allergische Reaktion sollten unverzüglich die folgenden therapeutischen Massnahmen eingeleitet werden (1,2):

Tabelle 1: Behandlungsmassnahmen bei akuten allergischen Reaktionen (Mit freundlicher Genehmigung von Helbling A, Fricker M et al.)

 

Medikamentös
Weitere Massnahmen
Adrenalin

  • Erwachsene: 0,3-0,5 mg i.m.
  • Kinder: 0,01 mg/kg KG
Schocklagerung und Sicherung der Atemwege

Sauerstoffzufuhr via Maske/Brille

Falls nötig Reanimation, Defibrillation
Venöser Zugang

  • Volumengabe (z.B. NaCl 0,9%, Elektro­lyt­lösung, kolloidale Lösung)
  • Kinder: 20 ml/kg KG (so schnell wie möglich)
Kontrolle der Vitalparameter (Blutdruck, Puls, Atmung, Peak-Flow-Messung, Pulsoxymetrie)
Antihistaminika i.v. (langsam)

  • H1-Rezeptorenblocker: z.B. Clemastin
  • Erwachsene: 2 mg
  • Kinder: 0,025-0,05 mg/kg KG
  • H2-Rezeptorenblocker: z.B. Ranitidin 150 mg (fakultativ, aber in Kombination mit H1)
 
Glukokortikoide i.v., z.B. Methylprednisolon

  • Erwachsene: 125-500 mg
  • Kinder: 2 mg/kg KG

Evtl. inhalatives kurzwirksames Beta-2-Mimetikum: Salbutamol Dosieraerosol: 6-12 Hübe
Hospitalisation (Überwachung 4 bis 24 Stunden)


Bei bekannter Chlorhexidin-Allergie sind Produkte mit diesem Wirkstoff unbedingt zu vermeiden. Auch die Anwendung auf der intakten Haut kann Überempfindlichkeits­reaktionen auslösen.

Bei unerklärbaren allergischen Reaktionen ist auch zu prüfen, ob Chlorhexidin-haltige Produkte angewendet wurden.

Meldung vermuteter unerwünschter Arzneimittelwirkungen
Wir bitten Sie, Meldungen über unerwünschte Wirkungen auf dem Meldeformular an das regionale Pharmacovigilance-Zentrum zu richten. Das Meldeformular ist verfügbar auf der Homepage von Swissmedic (www.swissmedic.ch → Direkt zu → Meldung unerwünschter Wirkungen → Pharmacovigilance) oder kann bei Swissmedic bestellt werden (Tel. 031 322 02 23).

Meldung vermuteter schwerwiegender Vorkommnisse und Gefährdungen bei Medizinprodukten
Wir bitten Sie, Meldungen über schwerwiegende Vorkommnisse und Gefährdungen auf dem Meldeformular an die Swissmedic zu richten. Das Meldeformular ist verfügbar auf der Homepage von Swissmedic (www.swissmedic.ch → Direkt zu → Meldung unerwünschter Wirkungen → Materiovigilance) oder kann bei Swissmedic bestellt werden (Tel. 031 323 22 51).

Eine Übersicht der in der Schweiz zugelassenen Chlorhexidin-haltigen Arzneimittel finden Sie hier.

Referenzen 

  1. Helbling A, Fricker M, Management der Anaphylaxie - Therapie beim allergischen Notfall, Hausarzt Praxis 2013; 3: 4-7
  2. Helbling A, Fricker M, Bircher A et al., Notfallbehandlung beim allergischen Schock, Schweiz Med Forum 2011; 11(12): 206-212
  3. Nakonechna A, Dore P, Dixon T et al., Immediate hypersensitivity to chlorhexi-dine is increasingly recognised in the United Kingdom, Allergol Immunopathol (Madr) 2012. 
https://www.swissmedic.ch/content/swissmedic/en/home/humanarzneimittel/market-surveillance/health-professional-communication--hpc-/archive/hpc---anaphylaktische-reaktionen-unter-chlorhexidin.html