Vorgestellt
Arzneimittelzulassung Schritt für Schritt Von der Betriebsbewilligung bis zur Zulassung
Bis ein Arzneimittel in der Schweiz zugelassen wird, müssen eine Reihe von Anforderungen erfüllt werden – angefangen bei einer ordentlichen Betriebsbewilligung über zahlreiche Prüfungen bis zur offiziellen Zulassung. Georges Meseguer, Leiter Zertifikate und Bewilligungen, und Sandra Zaugg, Leiterin Regulatory Assessment, erklären die einzelnen Schritte und beleuchten die aktuellen Herausforderungen.
Schritt 1: Die Betriebsbewilligung
Ganz zuerst kommen die künftigen Zulassungsinhaberinnen bei Georges Meseguer von Swissmedic vorbei. Bevor eine allfällige Betriebsbewilligung erteilt werden kann, muss die Herstellerin beweisen, dass sie ihren Firmensitz in der Schweiz hat. «Das ist zwingend», bestätigt der Leiter Zertifikate und Bewilligungen. «Danach muss die Firma ein Bewilligungsgesuch stellen; wir prüfen es und erteilen einen Inspektionsauftrag. Er wird anschliessend entweder von einem der vier regionalen Inspektorate in Basel, Zürich, Freiburg oder Mendrisio oder von Swissmedic selbst ausgeführt.» Anlässlich dieser Inspektion wird das Qualitätsmanagement überprüft. Danach verfasst die Prüfstelle einen Bericht. «Je nach Inhalt haben die Unternehmen vier Wochen Zeit, allfällige Mängel zu beheben. Erst wenn diese behoben sind, erteilen wir die von der Firma beantragte Bewilligung.»
Eine Bewilligung umfasst die gesamten Tätigkeiten der Firma und kann frühestens innerhalb von zwei Monaten erteilt werden. «Normalerweise dauert dieser Prozess aber zwischen sechs und zwölf Monaten. Denn das Verfahren für die Erteilung einer Betriebsbewilligung zur Herstellung oder zum Vertrieb von Arzneimitteln ist in mehrere Schritte unterteilt, deren Erfüllung von der Firma abhängt. Abgesehen von den Qualitätsvorgaben muss die Firma auch über genügend qualifiziertes Personal verfügen und eine sogenannte ‹fachtechnisch verantwortliche Person› definieren, welche die Abläufe innerhalb der Firma sowie die Richtlinien und die Gesetze kennt. Es muss ausserdem geklärt sein, was beispielsweise bei einem Rückruf des Produkts genau passiert, und es sollte definiert sein, was passiert, wenn in der Schweiz der seltene Fall einer Fälschung des Medikaments auftritt», erklärt Meseguer.
Schritt 2: Die Kriterien
Die Zulassungsunterlagen werden von den Firmen mehrheitlich über ein elektronisches Portal hochgeladen. «Zwar können die Dokumente auch noch per Papier eingereicht werden, aber die Zeiten, als für ein Gesuch bis zu 1000 Bundesordner mit dem Lkw angeliefert wurden, sind vorbei», lacht Sandra Zaugg. Anschliessend prüft das Team die Unterlagen auf ihre Vollständigkeit und Lesbarkeit. Es gibt klare Vorgaben, deren Erfüllung in einem regulatorischen Bericht festgehalten wird. Zudem prüft Swissmedic zum Beispiel, ob das Arzneimittel schon mal zur Zulassung angemeldet wurde, ob es ähnliche Produkte auf dem Markt gibt und ob die Arzneimittelbezeichnung den rechtlichen Anforderungen entspricht. Dieser Bericht gelangt schliesslich zu den Fachassessorinnen und -assessoren der drei Bereiche Qualität, Präklinik und Klinik.
Schritt 3: Die Einreichung
Ein Gesuch für die Zulassung eines neuen Arzneimittels wird auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Wirkstoffs geprüft. Sandra Zaugg erklärt die verschiedenen Module des Zulassungsdossiers, welche die Gesuchstellerin einreichen muss: «In einem Teil werden alle Dokumente zur Herstellung des Arzneimittels eingereicht. Arzneimittel werden gemäss der guten Herstellungspraxis, den internationalen Regeln der Good Manufacturing Practice (GMP) produziert. Diese Vorgaben definieren Anforderungen an die Räumlichkeiten, das Personal, die Rohstoffe, die Dokumentation und den Herstellungsprozess. In einem zweiten Teil wird die präklinische Dokumentation eingereicht. Das sind alle Studien, die gemacht werden, bevor das Arzneimittel überhaupt mit einem Menschen in Kontakt kommt, die zum Teil parallel zu den Versuchen am Menschen durchgeführt werden – etwa Zell- und Tierversuche. Bei dieser Dokumentation geht es zum Beispiel darum, die Wirkungsweise des Arzneimittels besser kennenzulernen und unerwünschte Wirkungen vorherzusagen. Die Wirkungsweise wird in den Zellversuchen ausgewertet und die unerwünschten Wirkungen am Tier wenn möglich auf den Menschen übertragen.
Der dritte und grösste Teil der Dokumentation betrifft die klinischen Unterlagen. Hier sind alle Studien einzureichen, welche an Probanden und Patientinnen durchgeführt wurden, mit denen man beispielsweise die Wirkungsweise des Arzneimittels im Menschen ermittelt, unerwünschte Wirkungen festgestellt oder die richtige Dosis gefunden hat. Ein weiterer Teil der Zulassungsdokumentation beinhaltet unter anderem Entwürfe für die Fachinformation, die für das Gesundheitspersonal bestimmt ist, die Packungsbeilage für die Patientinnen und Patienten und die Arzneimittelbezeichnung sowie die länderspezifischen Formulare. Denn jedes Land hat eigene Formulare, basierend auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen.»
Schritt 4: Der Vorbescheid
Das Gesuch durchläuft mehrere Begutachtungsphasen bei Swissmedic. Die erwähnten Teile der Dokumentation werden dabei immer parallel durch unsere internen Fachexperten begutachtet. In einer ersten Phase werden die eingereichten Dokumente begutachtet und überprüft, ob es offene Fragen gibt und noch zusätzliche Unterlagen angefordert werden müssen. Ist dies der Fall, verschickt Swissmedic eine List of Questions mit Fragen aus allen Teilbereichen. Die Firma erhält eine Frist zur Beantwortung. Ihre Antworten werden von Swissmedic genau analysiert. «Wenn alle Unterlagen inklusive dieser Antworten von Swissmedic Assessoren begutachtet wurden, fällen wir unseren Entscheid. Er wird zusammen mit noch offenen Fragen mit einem externen Expertenkomitee diskutiert: Das Human Medicines Expert Committee (HMEC) besteht aus Expertinnen und Experten unterschiedlicher medizinischer und wissenschaftlicher Fachrichtungen mit ausgewiesener Erfahrung in Forschung und klinischer Praxis. Schliesslich teilen wir der Gesuchstellerin unseren Entscheid mit einem sogenannten Vorbescheid mit. Dies bedeutet, die Gesuchstellerin erfährt, ob ihr Gesuch gutgeheissen oder abgewiesen werden soll», erklärt Sandra Zaugg den weiteren Ablauf.
Schritt 5: Die Verfügung
Wenn die Gesuchstellerin für ein neues Arzneimittel einen positiven Vorbescheid erhält, ist das zwar ein gutes Zeichen, aber die Zulassung wurde noch nicht definitiv erteilt: «Es kann sein, dass wir eine Gutheissung mit Voraussetzungen erteilen», präzisiert Sandra Zaugg. «Wenn zum Beispiel noch Warnhinweise aufgenommen werden müssen, Elemente der Medikamentenpackung noch nicht zu 100 Prozent stimmen oder eine Patienteninformation noch nicht laienverständlich genug ist, muss die Gesuchstellerin nochmals Anpassungen vornehmen.» Diese Voraussetzungen müssen bis zur endgültigen Erteilung der Zulassung bereinigt werden. Zwei Beispiele: Die Anwendung eines Arzneimittels muss für Patienten mit Nierenerkrankungen eingeschränkt werden, da die Wirksamkeit und Sicherheit für diese Patientengruppe noch nicht ausreichend gezeigt worden war. Oder die Qualität entspricht noch nicht zu 100 Prozent den Anforderungen. «Hier gibt es vonseiten Swissmedic keinen Spielraum», stellt Sandra Zaugg klar. Am Schluss der Prüfung teilt Swissmedic ihren Entscheid der Gesuchstellerin mittels Verfügung mit. Gegen diese Verfügung kann vor Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde eingereicht werden.
Das Produktzertifikat
Eine Zulassung von Swissmedic gilt ausschliesslich für die Schweiz. Will eine Herstellerin ihr Arzneimittel beispielsweise auch in einem Entwicklungsland vertreiben, kann das dortige Zulassungsverfahren anhand einer Bestätigung von Swissmedic verkürzt werden. «Gerade in diesen Ländern verfügen die Behörden oft nicht über das notwendige Know-how oder genügend Ressourcen, um solche Gesuche gesamtheitlich zu überprüfen», erklärt Georges Meseguer. Er fährt fort: «Wir bestätigen unseren Zulassungsentscheid mit einem sogenannten Produktzertifikat. So muss die ausländische Behörde nicht noch mal alles überprüfen, sondern vertraut auf unseren Entscheid. Die Zulassung kann anschliessend im entsprechenden Land schneller erteilt werden», weiss Georges Meseguer. Swissmedic stellt jährlich bis zu 7000 solcher Bestätigungen für den weltweiten Markt aus. Auch Zulassungserweiterungen, beispielsweise wenn eine neue Dosierung für ein Arzneimittel genehmigt wurde, kann Swissmedic mit einem Produktzertifikat für andere Länder bestätigen.
Zum Schluss: Herausforderungen
Die besondere Herausforderung für den Bereich Zulassung ist stets die Nutzen-Risiko-Abwägung, die ganz im Sinne des Patientenwohls zu fällen ist. Dazu Sandra Zaugg: «Eine zentrale Frage ist dabei, welche Unsicherheiten und Nebenwirkungen in Kauf genommen werden können, um ein innovatives Arzneimittel möglichst rasch zuzulassen und damit Schweizer Patientinnen und Patienten neue, vielversprechende Behandlungsmöglichkeiten rechtzeitig verfügbar zu machen. Ein Medikament gegen eine lebensbedrohliche Krankheit wie Krebs wird diesbezüglich anders beurteilt als ein Schnupfenmittel. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis muss zwar in beiden Fällen positiv sein, bei einem vielversprechenden Krebsmedikament, das allenfalls gar Heilung verspricht, nehmen Betroffene auch stärkere Nebenwirkungen in Kauf. Ebenfalls herausfordernd ist der ganze Workload: Allein im letzten Jahr haben wir um die 12 000 Gesuche geprüft.»