Nachgeforscht
Strafrechtsdienst «Wir müssen gerecht sein – nicht beliebt»
Die strafrechtliche Verfolgung von Verstössen gegen das Heilmittelrecht ist neben dem Bewilligungs- und Zulassungsverfahren sowie der Marktüberwachung ein Kernprozess von Swissmedic. Die Abteilung Strafrecht des Rechtsdienstes nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Ein Gespräch mit Judith Voney, Raphael Zbinden und Fabien Morand.
Mit welchen Fällen befasst sich die Abteilung Strafrecht?
Judith Voney: Unser Team verfolgt und beurteilt die verschiedensten Widerhandlungen gegen das Heilmittelrecht: illegaler Grosshandel oder Handel im Ausland, illegale Herstellung, Fälschung sowie Werbeverstösse bei Arzneimitteln oder Inverkehrbringen von nicht konformen Medizinprodukten. Das Gesetz unterscheidet zwischen verschiedenen Schweregraden: Übertretungen, Vergehen und Verbrechen.
Fabien Morand: Ob über TikTok bestellte Abtreibungspillen, Arzneimittel gegen Schwindel mit falschen Wirkversprechen oder Medizinprodukte, die weniger bewirken als Voodoo-Medizin: Der Mensch ist grenzenlos kreativ, wenn es darum geht, Geld zu verdienen!
Raphael Zbinden: Etwas abstrakter formuliert könnte man sagen: Wir verfolgen bewilligungspflichtige Tätigkeiten, die entweder ohne Bewilligung – oder nicht im Rahmen der Bewilligung ausgeübt werden.
Wie erfährt Swissmedic von solchen Fällen?
Judith Voney: Einerseits erhalten wir Strafanzeigen aus den Fachabteilungen von Swissmedic, die im Rahmen der Überwachung und des Enforcements Widerhandlungen aufdecken. Hinweise kommen aber auch von externen Partnern, wie dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), von Whistleblowern aus der Pharmawelt oder von kantonalen Aufsichtsbehörden im Gesundheitswesen.
Fabien Morand: Oder Konsumentinnen melden über die Swissmedic-Website, dass ihnen zum Beispiel ein «Schlankheitstee» nicht gut bekommen ist. Dann kann Swissmedic Testkäufe machen, die Produkte im eigenen Labor analysieren lassen und die nötigen strafrechtlichen Schritte einleiten. Nicht selten findet unser Labor in solchen Produkten beispielsweise nicht zugelassene Wirkstoffe.
Apropos Werbeversprechen: Macht sich Swissmedic da nicht durch Kleinlichkeit unbeliebt?
Raphael Zbinden: Als Vollzugsbehörde müssen wir gerecht sein, nicht beliebt. Wenn ein Medikament fälschlicherweise als Heilmittel gegen Krebs angepriesen wird, kann das gefährlich sein, vor allem wenn Patientinnen oder Patienten deshalb auf wirksame Therapien verzichten.
Wie kann der Strafrechtsdienst vorgehen?
Judith Voney: Die Straftaten des Heilmittelrechts sind Offizialdelikte, das heisst, die Strafbehörden sind grundsätzlich verpflichtet, bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts ein Verfahren einzuleiten. In besonders leichten Fällen oder Ausnahmen, wo Schuld und Tatfolgen gering sind, kann in Anwendung des Opportunitätsprinzips von der Strafverfolgung abgesehen werden.
Hausdurchsuchungen: Wie oft kommt es dazu – und wie läuft das ab?
Fabien Morand: Bei Privatpersonen kommen wir meist frühmorgens – natürlich unangekündigt – und finden sie manchmal im Pyjama vor. Die Polizei ist immer dabei, denn wir wissen nicht, was uns erwartet. Zum Team gehören neben IT-Forensikern bei Bedarf auch weitere Experten von Swissmedic: Gerade bei illegalen Labors ist Fachwissen gefragt, denn das Öffnen gewisser Behälter kann lebensgefährlich sein – zum Beispiel, wenn sich darin Substanzen wie Fentanyl befinden.
Raphael Zbinden: Im Jahr 2023 sind wir etwa sechsmal ausgerückt. Ich persönlich war schon bei rund 50 Hausdurchsuchungen dabei. Sie sind jeweils sehr effektiv, da wir wissen, wonach wir suchen, und gezielt und professionell vorgehen. Nebst Heilmitteln stellen wir auch Buchhaltungsunterlagen und Dokumente sicher, die Hinweise auf illegale Importe, Umsätze und Gewinne geben könnten.



Wie stellt Swissmedic eine effektive Zusammenarbeit mit anderen Strafverfolgungsbehörden sicher?
Judith Voney: Swissmedic und die anderen Strafverfolgungsbehörden im Heilmittelrecht, also die kantonalen Staatsanwaltschaften, das BAZG und das Bundesamt für Gesundheit (BAG), haben im Heilmittelbereich klar definierte Kompetenzen. Durch die enge Zusammenarbeit mit Polizei, Zoll, Staatsanwaltschaften, dem Bundesamt für Justiz und unseren internen Fachabteilungen schaffen wir ein starkes Netzwerk, das umfassende und koordinierte Ermittlungen und rechtliche Massnahmen zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier erlaubt.
Wie sieht die internationale Zusammenarbeit aus?
Judith Voney: Kriminalität macht nicht an Grenzen halt. Swissmedic leistet aktive und passive internationale Rechtshilfe, um grenzüberschreitende kriminelle Aktivitäten im Heilmittelrecht zu bekämpfen. Dazu gehören beispielsweise auch Hausdurchsuchungen, die in Rechtshilfe für das Ausland durchgeführt werden, oder Einvernahmen, an denen ausländische Beschuldigte und ihre Rechtsvertreter per Video teilnehmen können.
Wo liegen die Herausforderungen der Zukunft?
Raphael Zbinden: Das sind vor allem technologische Herausforderungen wie die Sicherung und Analyse grosser Datenmengen in Clouds und verschiedene IT-Weiterentwicklungen wie Kryptowährungen. Die Sicherung elektronischer Daten und die Weiterentwicklung der IT-Forensik sind zentral. Hier gilt es, unsere technischen und juristischen Kompetenzen kontinuierlich zu stärken. Auch die laufende Revision des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes, unseres 50 Jahre alten Prozessrechts, beschäftigt uns.
Was macht die Arbeit im Team Strafrecht interessant?
Fabien Morand: Wir bearbeiten Fälle in allen Landessprachen. Dabei ist jeder einzigartig. Für ein korrektes Urteil müssen wir be- und entlastende Beweise sorgfältig abwägen. Dieser Prozess ist nicht nur herausfordernd, sondern äusserst lohnend, da er direkt zur Gestaltung und Umsetzung des Rechtsrahmens beiträgt.
Raphael Zbinden: Unsere Arbeit ist spannend und anspruchsvoll, weil sie auch uns Juristen ein gewisses naturwissenschaftliches Verständnis abverlangt. Darum sind wir auch froh, einen Tierarzt in unserem Team zu haben, der diesen Blick schärft. Ein wesentlicher Aspekt besteht auch darin, dass unsere Urteile einerseits spezialpräventiv wirken, also die Besserung und Resozialisierung des einzelnen Straftäters bezwecken, andererseits aber auch generalpräventiv sind, also auf die Verbrechensvorbeugung in Bezug auf die gesamte Bevölkerung Einfluss nehmen. Dies ist für den Schutz der Gesundheit und die Sicherheit der Öffentlichkeit von entscheidender Bedeutung.