Die Zulassung von sicheren, wirksamen und qualitativ hochstehenden Arzneimitteln wird in der Öffentlichkeit als selbstverständlich betrachtet. Die vielfältigen Aufgaben von Swissmedic finden deshalb in der Regel wenig Aufmerksamkeit, solange sie einwandfrei erledigt werden. Es zeichnete sich früh ab, dass neue Impfstoffe aus der Krise führen können. Damit habe ich erwartet, dass wir in mehrfacher Hinsicht (Zulassung, Betriebsbewilligungen, Marktüberwachung) zu einem zentralen Akteur und früher oder später, inbesondere mit der Zulassung von Impfstoffen, im Rampenlicht stehen werden. Die öffentliche Aufmerksamkeit war für mich deshalb keine Überraschung. Nicht vorhersehbar war lediglich das Tempo, mit dem bereits im letzten Quartal 2020 Impfstoffe die Zulassungsreife erlangten. Verglichen mit bisherigen Zeiten der Impfstoffentwicklung war dieses Tempo nicht vorauszusehen.
Der Druck ist gross, Impfstoffe nicht nur zuzulassen, sondern dies auch richtig zu machen. Spüren Sie, dass die Mitarbeitenden einer besonderen Belastung ausgesetzt sind?Aufgrund der prekären Pandemiesituation liegt ein grosser Erwartungsdruck auf allen Heilmittelbehörden, sichere und wirksame Covid-19-Impfstoffe schnell zulassen und verimpfen zu können. Der Spagat zwischen Geschwindigkeit und Sorgfalt ist sehr anspruchsvoll. Vor allem die Mitarbeitenden, welche mit der Zulassung direkt befasst sind, haben seit Beginn der Coronakrise ein sehr hohes Arbeitspensum. Die Expertinnen und Experten mit langjähriger Erfahrung sind aber gewohnt, täglich mit den Erwartungen der Pharmafirmen im Hinblick auf Zulassungen zu leben. Sie können damit professionell umgehen. Eine gezielte Vorbereitung im Verlauf des letzten Jahres, etablierte effiziente Prozesse und regulatorische Standards sowie die eigene Kompetenz unterstützen die anspruchsvolle Arbeit. Ich bin beeindruckt, wie die Herausforderungen im Homeoffice bisher gemeistert wurden und wie gut die digitale Zusammenarbeit funktioniert hat.
Swissmedic darf sich in ihren Entscheiden und Expertisen ausschliesslich von wissenschaftlichen Kriterien leiten lassen. Wie schaffen Sie und die Mitarbeitenden es, wenn im Land die Menschen erkranken, das Gesundheitssystem an seine Grenzen stösst, davon unbeeinflusst zu bleiben?Wir sind uns alle der grossen Aufgabe und Verantwortung bewusst, die wir zum Schutz der Öffentlichkeit zu erledigen haben. Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität der Heilmittel sind ein gesetzlicher Auftrag. Das schafft die Grundlage und den Handlungsspielraum, nach wissenschaftlichen Kriterien und auf der Basis ausreichender Daten, qualitativ und quantitativ, zu entscheiden. Medikamente und Impfstoffe, welche diese Kriterien nicht erfüllen und somit kein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis haben, gefährden die Patientensicherheit und die öffentliche Gesundheit. Wenn wir uns also von diesen Vorgaben leiten lassen, sind wir in der Sache nicht im Widerspruch zum Umfeld und können entsprechend unbeeinflusst entscheiden.
Der ehemalige Präsident der USA hat starken Druck auf die amerikanische Zulassungsbehörde ausgeübt. Wurde Swissmedic von der Politik auch unter Druck gesetzt?Wir spürten keinen direkten Druck, im Gegenteil, Bundesrat und Parlament haben wiederholt erklärt, wie wichtig eine unabhängige Prüfung durch Swissmedic ist. Aber die hohen Erwartungen aller Anspruchsgruppen sind spürbar. Was den Vergleich mit den USA betrifft, das System in der Schweiz ist anders. Die gesetzlichen Grundlagen, die Governance und Compliance auf Stufe Bund stellen die politische, wissenschaftliche, organisatorische und finanzielle Unabhängigkeit von Swissmedic als Behörde der Sicherheits- und Wirtschaftsaufsicht sicher. Swissmedic ist beim EDI assoziiert, nicht unterstellt und führt ihre Geschäfte weisungsungebunden. Zentrales Ziel der Schaffung solcher dezentraler Einheiten durch den Gesetzgeber war und ist die Entpolitisierung der Sachgeschäfte und Aufgaben dieser Einheiten. Das verhindert die Einflussnahme durch Interessengruppen verschiedener Couleur auf Swissmedic, mit dem Ziel, die Patientensicherheit und die öffentliche Gesundheit zu schützen.