Sondiert

Vereinfachte Zulassung Einblicke in die Komplementär- und Phytoarzneimittel

Wenn es um die Zulassung von Arzneimitteln geht, werden immer wieder die drei Anforderungen Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit genannt. Gelten diese Anforderungen auch für Komplementär- und Phytoarzneimittel (KPA)? Wir fragten bei Martin Ziak, Margot Spohn und Bilkis Heneka vom Team KPA bei Swissmedic nach. Welchen Stellenwert geniessen KPA in der Schweiz, worin unterscheiden sich die Anforderungen gegenüber den synthetischen Arzneimitteln, in welche Abgabekategorien werden sie eingeteilt und wie sieht die Zukunft von Komplementär- und Phytoarzneimitteln aus?

Die Basis

Komplementär- und Phytoarzneimittel sind in der Schweiz sehr populär und weit verbreitet: Von den rund 8000 zugelassenen Arzneimitteln mit Indikation machen sie beinahe 20 Prozent aus. Hinzu kommen weitere 11000 zugelassene Komple­mentärarzneimittel ohne Indikation, welche zur Individualtherapie eingesetzt werden. Viele Komplementär- und Phytoarzneimittel sind in die Abgabekategorie D eingeteilt. Dadurch wurden sie zu einem wichtigen Standbein für Drogerien. «Die Drogisten und Drogistinnen haben auch aktiv dazu beigetragen, diesen Arzneimitteln die notwendige Aufmerksamkeit zu verschaffen», erklärt Martin Ziak, Leiter der Abteilung KPA bei Swissmedic.

Die vereinfachte Zulassung

Im Grundsatz gelten für die Komplementär- und Phytoarzneimittel dieselben Anforderungen wie für die synthetischen Arzneimittel: Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit müssen gewährleistet sein. «Basierend auf der Komplementär- und Phytoarzneimittel-Verordnung können diese Arzneimittel vereinfacht zugelassen werden», präzisiert Martin Ziak. «Die Gesuchstellerinnen können für den Nachweis von Sicherheit und Wirksamkeit auf publizierte Literaturdaten, zum Beispiel wissenschaftliche Publikationen, Bezug nehmen.»

«Basierend auf der Komplementär- und Phytoarzneimittel-­Verordnung ­können diese Arzneimittel vereinfacht zugelassen werden.»

Martin Ziak
Der Wirkstoff

«Häufig beinhalten Komplementär- und Phytoarzneimittel mehrere Wirkstoffe. In der Homöopathie existieren über 2000 verschiedene Ausgangsstoffe, aus denen jeweils eine Vielzahl an Potenzen hergestellt werden können. Hier stellt sich die zentrale Frage, ob die Kombination der Wirkstoffe begründbar ist. Es gibt beispielsweise diverse Stoffe, die aus homöopathischer Sicht nicht kombiniert werden dürfen», erläutert Margot Spohn einige Besonderheiten. Anders sieht es bei Phytoarzneimitteln aus: «Im Gegensatz zu synthetischen Arzneimitteln enthalten pflanzliche Arzneimittel keine Reinsubstanzen als Wirkstoffe, sondern Vielstoffgemische, beispielsweise pflanzliche Extrakte oder ätherische Öle. Hier zeigt sich eine besondere Komplexität, welche bei der Zulassung von Phytoarzneimitteln eine wesentliche Rolle spielt», erläutert Bilkis Heneka.

Bilkis Heneka und Martin Ziak
Bilkis Heneka und Martin Ziak
Die Ausgabekategorie

Entscheidend sind das Anwendungsgebiet, die Dosierung und die Darreichungsform – mehrheitlich werden die Komplementär- und Phytoarzneimittel in die Abgabekategorie D eingeteilt. Das heisst, sie stehen für die Selbstmedikation, unterstützend oder zur Linderung von Beschwerden, zur Verfügung. «Es gibt nur wenige Komplementär- und Phytoarzneimittel, die verschreibungspflichtig sind», weiss Martin Ziak: «Ein Beispiel ist Sativex, ein Mundspray, welcher bei Multipler Sklerose verwendet wird – dieser ist aufgrund der Indikation verschreibungspflichtig. Als Wirkstoffe enthält dieses Arzneimittel zwei Cannabis-Extrakte. Da der THC-Gehalt über 1 Prozent liegt, unterliegt das Arzneimittel zusätzlich dem Betäubungsmittelgesetz.» Ein weiteres Beispiel sind Mistelpräparate aus der anthroposophischen Medizin. Diese werden zur Unterstützung in der Krebstherapie oder als homöopathische Arzneimittel verwendet, bei denen potenziell toxische Stoffe in einer tiefen Potenz – also aus stofflicher Sicht nur wenig verdünnt – vorliegen.

Die Abgrenzung

Für Arzneimittel darf nur eine Heilanpreisung aufgeführt werden, wenn sie von Swissmedic geprüft und genehmigt wird. Dies gilt nicht für Nahrungsergänzungsmittel, die nicht im Kompetenzbereich von Swissmedic liegen. Als Abgrenzung zu Nahrungsergänzungsmitteln weisen Arzneimittel auf der Packung eine Swissmedic-Vignette sowie eine fünfstellige Zulassungsnummer auf. Um den Unterschied darzulegen, eignet sich Tee als das vielleicht beste Beispiel: Wird eine heilende Wirkung aufgeführt, zum Beispiel «zur Linderung von leichten Magen-Darm-Beschwerden», wird dieser als Arzneitee eingestuft und es müssen entsprechend die Vorgaben des Heilmittelgesetzes erfüllt werden.

Die Entwicklungen

Margot Spohn, Bilkis Heneka und Martin Ziak sind sich einig: «Das Interesse der Schweizer Bevölkerung an pflanzlichen und komplementärmedizinischen Arzneimitteln ist sehr gross und wird auch in der Politik mit Interesse verfolgt.» Trotzdem hat die Anzahl Zulassungen der entsprechenden Arzneimittel, insbesondere Phytoarzneimittel, in den letzten Jahren abgenommen. Häufig sind es marktwirtschaftliche Überlegungen, welche die Zulassungsinhaberinnen bewogen haben, auf ein Arzneimittel zu verzichten. Die Zulassungsanforderungen sind nach der Revision des Heilmittelgesetzes im Jahr 2019 unverändert geblieben; das heisst, eine vereinfachte Zulassung dieser Arzneimittel ist weiterhin möglich. Zudem sind die Gebühren für diese Arzneimittel deutlich tiefer im Vergleich mit den synthetischen Arzneimitteln. Sie wurden für KPA-Arzneimittel nur moderat angehoben. Es ist jedoch vor allem die Konkurrenz durch Nahrungsergänzungsmittel und Medizinprodukte, welche vermutlich in vielen Fällen gegen eine Zulassung von Komplementär- und Phytoarzneimitteln spricht. Ausserdem muss berücksichtigt werden, dass es sich bei den Zulassungsinhaberinnen in vielen Fällen um kleinere und mittlere Unternehmen handelt.

Heilkräutergarten Albinen
Fotografiert im Heilkräutergarten Albinen

Die Unterschiede

  • Phytoarzneimittel enthalten als Wirkstoffe einen oder mehrere pflanzliche Stoffe oder Zubereitungen daraus. Es handelt sich dabei um aus Pflanzen oder definierten Pflanzenteilen gewonnene Vielstoffgemische. Beispiele: Getrocknete und zerkleinerte Pflanzen oder Pflanzenteile, Tinkturen, Trockenextrakte, ätherische Öle.
  • Komplementärmedizinische Arzneimittel basieren auf einem bestimmten komplementärmedizinischen Therapieprinzip, etwa der Homöopathie, der anthroposophischen Medizin oder der asiatischen Medizin. Sie werden nach den Herstellungsvorschriften der jeweiligen Therapierichtung hergestellt und die Anwendungsgebiete entsprechend festgelegt. Die Wirkstoffe können pflanzlicher, mineralischer, chemischer oder tierischer Natur sein und in konzentrierter Form oder mehr oder weniger stark verdünnt (nach homöopathischen Prinzipien potenziert) eingesetzt werden.
Grafik Pflanze