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Überwachung von Blutprodukten Der Weg des Blutes

Das Überwachungssystem der gesamten Bluttransfusionskette nennt sich Haemovigilanz; Swissmedic registriert und analysiert Vorkommnisse und unerwünschte Wirkungen vor, während und nach der Verabreichung von Blutprodukten. Visible begleitete den Prozess von der Blutentnahme bis zur Einlagerung und sprach dabei mit verschiedenen Beteiligten und Fachexperten; unter anderem auch mit einer der Haemovigilanz-Verantwortlichen bei Swissmedic, Julia Engels.

Dienstagmorgen, 8.30 Uhr in einem Blutspendezentrum mitten in der Schweiz: Gemeinsam mit Spender Theodor Zeiter * machen wir uns auf den Weg zur Blutentnahme. «Ich mache das schon mein ganzes Leben lang – aus reiner Überzeugung, aber auch weil ich dadurch zu einem regelmässigen Gesundheitscheck komme. Ausserdem ist es eine sinnvolle Sache.» Seit über 25 Jahren trifft Zeiter hier auf seinen ehemaligen Arbeitskollegen Silvano Cartoggio *. «Für mich ist es eine gute Gelegenheit, mich mit Theo auszutauschen. Ich werde Blut spenden, solange ich gesund bin. Vielleicht werde ich eines Tages sogar als Blutspender pensioniert.»

* Name von der Redaktion geändert

Mann bei Blutspenden
In elf regionalen Zentren in der Schweiz kann Blut gespendet werden.
Bestandteile des Blutes
Bestandteile des Blutes

In der Schweiz existieren insgesamt elf regionale Blutspendezentren. Sie gehören alle zum Schweizerischen Roten Kreuz und agieren als selbstständige Non-Profit-Organisationen. Aber was passiert mit dem gespendeten Blut? Eine Mitarbeiterin des lokalen Blutspendezentrums erklärt: «Das Blut wird hier vor Ort weiterverarbeitet. Da es aus Zellen und Flüssigkeiten besteht, trennen wir es mittels Zentrifugation in seine Bestandteile: Rotes Blut, Blutplättchen und Plasma werden in einzelne Beutel aufgetrennt und mit speziellen Lösungen versetzt, damit sie als sogenannte Blutprodukte besser haltbar sind.» Rote Blutkörperchen, beispielsweise, brauchen unter anderem Glukose, damit sie im Beutel weiterexistieren können. «Der gesamte Prozess ist standardisiert und gleichzeitig streng reguliert. Für die Herstellung der genannten Blutprodukte ist eine Bewilligung notwendig, die von Swissmedic erteilt wird. Jeder Schritt verläuft nach Vorschrift, damit Qualität und Sicherheit eingehalten werden können – und es zu keinen Verunreinigungen kommt. Beispielsweise dürfen keine Bakterien ins Blut gelangen», erklärt Julia Engels. Schliesslich wird das gespendete Blut nach Blutgruppen unterteilt. Es erhält einen Produktcode; die Angaben des Spenders oder der Spenderin sind nicht mehr erkennbar.

Das Blutspendezentrum ist als Hersteller des Blutes für die Qualität verantwortlich und garantiert damit auch seine Sicherheit und Sauberkeit. «Dieser Prozess beginnt bei der Auswahl der Spenderin beziehungsweise des Spenders. Sie müssen einen Fragebogen beantworten und gewisse Kriterien erfüllen», erklärt die Mitarbeiterin des Blutspendezentrums. Menschen mit erhöhtem Risiko für Infektionskrankheiten können ebenso wenig berücksichtigt werden wie Personen, die sich zum Beispiel vor Kurzem in einem Land mit Malaria aufgehalten haben. Im Weiteren wird das Blut der Spenderinnen und Spender durch verschiedene Labortests auf blutübertragbare Erreger untersucht.

«Blutprodukte sind sehr sicher.»

Julia Engels

Als Nächstes folgt der Transport ins Spital. «Alles wird genauestens überwacht: Je nach Art des Blutprodukts müssen bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Wir übernehmen dabei auch den Fahrdienst und sind für die gesamte Transportkette verantwortlich», erklärt die Mitarbeiterin des lokalen Blutspendezentrums. Allerdings gelangen nicht alle Blutteile ins Spital – ein Teil wird auch in Arztpraxen gebracht und das Plasma wird an Plasmafabrikationsbetriebe verkauft. Dort werden aus bestimmten Plasmabestandteilen Medikamente hergestellt – zum Beispiel (Blut-)Gerinnungsfaktoren oder Immunglobuline.

Der Transfer des Blutes wurde bereits im Vorfeld angekündigt. Im Spital werden wir erwartet; das Blut wird sofort ins sogenannte Blutlager gebracht – dieses ist ebenfalls bewilligungspflichtig. «Ein Alarmsystem überwacht die sichere Lagerung, jeder Vorgang wird protokolliert», erklärt der zuständige Fachmann vor Ort. Das rote Blut wird bei einer Temperatur von vier Grad in einem Kühlschrank gelagert und muss innerhalb von 42 Tagen verwendet werden. Die Plättchen werden geschüttelt und bei Raumtemperatur aufbewahrt; sie sind nur sieben Tage haltbar. Die Plasmen hingegen werden eingefroren und können zwischen zwei und vier Jahren aufgehoben werden.

Von hier aus wird das Blut für die Behandlung von Patientinnen und Patienten eingesetzt. Verantwortlich für die Transfusion ist die verordnende Ärztin bzw. der verordnende Arzt. Sie geben die Anweisungen und verantworten die Therapie wie bei anderen Arzneimitteln. Eine Besonderheit allerdings bleibt: «Alle Einrichtungen, die transfundieren, müssen eine Person benennen, die für die Haemovigilanz verantwortlich ist – meistens eine Ärztin oder einen Arzt. Diese für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben verantwortliche Person muss an Swissmedic gemeldet werden», klärt Julia Engels auf. Und sie fährt fort: «Diese Personen verantworten letztlich die Qualität und Sicherheit der Transfusionen.» Der Transfusionsprozess im Spital ist komplex, es sind zahlreiche Fachpersonen involviert. Neben der administrativen Unterstützung sind auch Pflegefachkräfte, Laborantinnen und Laboranten, Qualitätsbeauftragte, Technikerinnen und Techniker, Reinigungsfachkräfte sowie Ärztinnen und Ärzte eingeschlossen.

Zusammen mit Julia Engels betrachten wir den gesamten Vigilanzprozess etwas näher: «In jedem Teil der Transfusionskette können Fehler passieren. Deshalb müssen alle Schnittstellen überwacht werden. Blut ist ein lebendes Produkt. Alle Beteiligten müssen versuchen, die Arbeitsschritte so sicher wie möglich zu gestalten», stellt Julia Engels klar. Und ergänzt: «Mit der Haemovigilanz können wir fehleranfällige Prozessschritte erkennen. Ein Spital, das uns regelmässig Meldungen zukommen lässt, fällt bei uns nicht etwa negativ auf, sondern gibt uns eher den Hinweis, dass dort eine fortschrittliche Fehlerkultur herrscht und qualitätssichernde Massnahmen implementiert worden sind.»

Grundsätzlich können überall Fehler auftauchen. Im Jahr 2021 gingen insgesamt 7901 Meldungen zu labilen Blutprodukten bei der Haemovigilanz ein. Diese Zahl setzt sich aus Transfusionsreaktionen, Transfusionsfehlern und Beinahefehlern, Meldungen der Hersteller zu Qualitätsproblemen und Nebenwirkungen bei der Blutspende zusammen. «Bei der Anwendung von Blut sowie labilen Blutprodukten kommt es immer wieder zu unerwünschten Wirkungen. Diese Vorkommnisse werden bei uns systematisch gesammelt und genauestens ausgewertet», erklärt Julia Engels.

Alle in die gesamte Transfusionskette involvierten Personen sind verpflichtet, Fehler an Swissmedic zu melden. «Durch Auswertung dieser Meldung können wir kritische Punkte und Sicherheitslücken im Prozess erkennen, mit dem Ziel, präventive Massnahmen und gezielt Verbesserungen implementieren zu können.» Das Qualitätssicherungssystem muss flexibel und lernfähig sein. Und es muss jederzeit funktionieren. Neben der Prozessüberwachung wird auch die Transfusion selber überwacht: «Blutprodukte sind sehr sicher. Trotzdem kann es in vereinzelten Fällen zu unerwünschten Reaktionen kommen», führt Julia Engels aus. Dann muss zum Beispiel abgeklärt werden, ob sich im Produkt Bakterien befanden oder ob es nicht passend beziehungsweise kompatibel war. Alle Transfusionsreaktionen müssen der Haemovigilanz gemeldet werden. «Wo nötig werden weitere Nachforschungen – gegebenenfalls bei den Herstellern – durchgeführt; und in einigen speziellen Situationen sogar bei den Spendern des Blutes.»

Eine Besonderheit im Bereich der Blutprodukte ist, dass die gesamte Kette von der Spenderin bis zum Empfänger des Blutes lückenlos nachvollziehbar sein muss. Dies ist bei anderen Arzneimitteln üblicherweise nicht der Fall. Besteht der Verdacht, dass durch ein Blutprodukt eine Infektionsübertragung stattgefunden hat, kann ein sogenanntes Look-back-Verfahren (Rückverfolgungsverfahren) zum Einsatz kommen – auch Jahre nach der Transfusion. Alle Transfusionsreaktionen und auch Look-back-Verfahren werden im Haemovigilanz-Jahresbericht publiziert.

In der Überwachung der Transfusionskette sind die Zuständigkeiten klar aufgeteilt: Die Blutspendezentren sind die Hersteller und koordinieren das Abfüllen und den Transport; sie werden durch ein Swissmedic-Inspektionsteam geprüft. Für die Blutlager im Spital sind die jeweiligen Kantonsapothekerinnen und -apotheker zuständig. Und für die Überwachung der Qualitätssicherung und Transfusionsreaktionen ist die Haemovigilanz von Swissmedic verantwortlich.

Wir verlassen das Spital und fragen uns letztlich, was mit dem Blut von Theo Zeiter und Silvano Cartoggio passieren wird. Die Spender selbst interessiert dies laut eigenen Aussagen weniger. «Wir vertrauen der Organisation und haben nach dem Spenden stets ein gutes Gefühl. Im Detail wollen wir nicht wissen, wie unser Blut weiterverwendet wird.»

Krankenwagen
Der Transport der Blutprodukte ins Spital wird genausten überwacht.
Blut im Kühlschrank
Das rote Blut wird bei einer Temperatur von vier Grad in einem Kühlschrank gelagert.
Bluttransfusion
Für die Bluttransfusion ist die verordnende Ärztin bzw. der verordnende Arzt verantwortlich.
Julia Engels
Julia Engels