Die Leiterin der Arbeitsgruppe seitens Swissmedic seit Ende 2019, Dr. Gabriela Zenhäusern, lud die Partnerinnen und Partner der Patienten- und Konsumentenorganisationen nach Bern. Sie wollte herausfinden, wie der Austausch noch weiter optimiert werden könnte. Am Gespräch teilgenommen haben David Haerry (Co-Leiter Positivrat Schweiz), Dr. Jacqueline de Sá (ProRaris Allianz Seltener Krankheiten – Schweiz), Dr. med. Daniel Tapernoux (SPO Schweizerische Patientenorganisation) und Claudia Sutter (Swissmedic).
Sondiert
Arbeitsgruppe Patienten- und Konsumentenorganisationen (PKO)
Eine Stimme für die Patientinnen
und Patienten
Vor acht Jahren gründete Swissmedic zusammen mit Patienten- und Konsumentenorganisationen eine Arbeitsgruppe. Ein regelmässiger Austausch sollte den Informationsfluss und die Patientensicherheit verbessern und den Erfahrungen von Patientinnen und Patienten grösseres Gewicht geben. Zeit für eine Bestandsaufnahme.

Wie kam die Zusammenarbeit mit den Patienten- und Konsumentenorganisationen (PKO) zustande?
Gabriela Zenhäusern (GZ): «2014 erkannte Swissmedic, wie wichtig es ist, den PKO eine
Stimme
zu geben. Die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Cordula Landgraf etablierte sich nach der
Pilotphase rasch zu einer regulären und wichtigen Grundlage zum Austausch und besseren
Verständnis aller Anliegen.»
David Haerry (DH): «Wir klopften gemeinsam mit anderen Patientenorganisationen
bereits
2012 bei
Swissmedic an und zeigten auf, was die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) punkto
Patienteneinbezug unternahm. Das sorgte für die notwendige Aufmerksamkeit.»
«Ziel ist es, die Perspektive von PKO im gesamten Lebenszyklus eines Heilmittels einzubringen, um die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten besser zu verstehen und somit die Patientensicherheit zu erhöhen.»
Gabriela Zenhäusern
Welche Rolle nimmt Swissmedic heute in der Arbeitsgruppe ein?
GZ: «An regelmässigen Treffen informiert Swissmedic die PKO über aktuelle Themen wie
zum Beispiel unerwünschte Wirkungen von Impfstoffen und ihre Erfassung und Auswertung oder wenn beispielsweise ein neuer Prozess eingeführt wird. Weiter versuchen wir, Projekte einzubringen,
die für uns wichtig sind und von denen wir glauben, dass wir von den Patientinnen und Patienten
lernen können. Generell ist es uns ein Anliegen, transparent und verständlich zu
kommunizieren. Diese Ansätze dienen dazu, die Patientensicherheit zu erhöhen.»
Claudia Sutter (CS): «Ein zentraler Teil ist auch die Informationsvermittlung: Gerade
das Beispiel der
Covid-Impfstoffe hat gezeigt, wie unsere Systeme funktionieren, wie wir arbeiten und wo die Verantwortlichkeiten liegen. Zu den letzten beiden Treffen der Arbeitsgruppe haben wir
beispielsweise eine Vertretung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) eingeladen.»
Jacqueline de Sá (JDS): «Gemeinsam können wir eine Brücke zu den Patientinnen und
Patienten
bauen, indem die PKO in die diversen Prozesse Einblick erhalten und deren Erfahrungen
einbringen. Momentan läuft das eher informell. Langfristig ist es uns jedoch ein Anliegen, dass
PKO in die diversen Etappen des Zulassungsprozesses formal und mit klaren Vorgaben eingebunden
werden, so wie es ausländische Behörden bereits praktizieren.»
Nach welchen Kriterien werden PKO aufgenommen?
GZ: «Im Moment ist es relativ unkompliziert: Wer unsere Anforderungskriterien gemäss den publizierten Statuten der Arbeitsgruppe erfüllt, wird aufgenommen. Interessierte PKO reichen einen Nominierungsantrag ein. Swissmedic entscheidet anschliessend, ob die Kriterien erfüllt sind. Unter anderem wird abgeklärt, ob es Interessenkonflikte gibt – beispielsweise betreffend Mittelbeschaffung.»
«Wir haben alle dieselben Anliegen: schnelle Reviews und einen raschen Marktzugang.»
David Haerry
Nehmen immer die gleichen PKO teil?
GZ: «Ja, es sind regelmässig 12 bis 15 Teilnehmende.»
Daniel Tapernoux (DT): «Ob eine
Organisation längerfristig teilnehmen kann, hat auch mit ihren Ressourcen zu tun. Die meisten
müssen knapp kalkulieren. Es kommt immer darauf an, wie eine Organisation finanziell und
personell aufgestellt ist.»
JDS: «Wir kennen uns mittlerweile in der Gruppe. Wir haben alle
dieselben Anliegen und auch der bilaterale Austausch unter den PKO ist sehr wertvoll.»
DH: «Unsere Anliegen sind eine möglichst schnelle Prüfung der Zulassungsgesuche und
ein
möglichst rascher Marktzutritt. Uns ist es auch wichtig, wie Swissmedic mit den Meldungen zu
möglichen Nebenwirkungen umgeht und welche Massnahmen getroffen werden.»
Was passiert, wenn man nicht auf die Wünsche der PKO eingehen kann?
GZ:«Wir richten uns grundsätzlich nach unserem gemeinsam erstellten Arbeitsplan. Dabei
gibt
es keine Tabuthemen. Wir können allerdings nur auf Anliegen im Verantwortungsbereich von
Swissmedic eingehen, weshalb wir uns auch in einer Vermittlerrolle sehen.»
DH: «Natürlich gibt es Projekte, die holprig unterwegs sind; vor allem, weil die
gesetzlichen Vorgaben nicht gegeben sind. So beispielsweise beim Projekt der Begutachtung von
Packungsbeilagen.»
JDS: «Wir müssen einen gemeinsamen Umgang und Nenner finden: Die Sprache und
der Blickwinkel von Behörden und PKO sind oft komplett verschieden. Es braucht von beiden Seiten
einen grossen Effort.»
«In dieser Arbeitsgruppe gehen wir aufeinander zu und lernen voneinander.»
Jacqueline de Sá
Sprechen wir über ein konkret erfolgreiches Beispiel.
DH: «Bei den Packungsbeilagen haben wir, übrigens in Zusammenarbeit mit der Industrie,
einen
Prozess erarbeitet, um die Lesbarkeit der Texte zu verbessern.»
DT: «Bei der Covid-Impfung wurden zum ersten Mal überhaupt Patientenmeldungen von
Nebenwirkungen über ein eigenes Formular möglich – das war eine Forderung, die von den
Patientenorganisationen kam; und ist gleichzeitig ein Meilenstein und ein grosser Schritt
vorwärts.»

Welche konkreten Projekte stehen bevor?
GZ: «Unsere Ziele sind die Vertrauensbildung und der Einbezug von Patientenorganisationen in verschiedene Prozesse rund um Heilmittel. Möglich wäre zum Beispiel ein Projekt analog der EMA, bei dem die Sicht von Patientinnen und Patienten bereits bei einem Scientific Advice, das heisst in der Phase der Entwicklung eines Heilmittels, eingebracht wird.»
«Andere Bundesbehörden können sich ruhig eine Scheibe von Swissmedic abschneiden»
Daniel Tapernoux
Was braucht es, damit ein konkretes Projekt lanciert wird?
GZ: «Die Bereitschaft aller Involvierten muss da sein – die Zusammenarbeit mit PKO ist
gesetzlich
nicht geregelt. Wir müssen erkennen, dass ein Projekt einen konkreten Nutzen und einen
positiven Einfluss hat.»
DH: «Ich erinnere mich, dass bei der EMA ein MS-Patient an eine
Sitzung eingeladen wurde. Dabei ging es um knifflige Fragen betreffend Zusatznutzen. Dieser
erklärte, wie wichtig ihm die persönliche Mobilität sei – alleine schon, damit er ohne fremde
Hilfe eine Toilette aufsuchen könne. Diese Information von Patientenseite wurde aus meiner
Sicht beim Zulassungsentscheid mitberücksichtigt. Das zeigt, wie wichtig der Einbezug der
Betroffenen ist.»

Gab es auch schon PKO, die sich benachteiligt fühlten?
GZ: «Diesen Eindruck hatte ich nicht. Aufgrund des Verantwortungsbereiches von Swissmedic
kann
nicht jedes Anliegen einer PKO abschliessend diskutiert werden.»
DT: «Es gab Gespräche rund um die Unabhängigkeit von Organisationen sowie wer welche
Patientengruppe repräsentiert. Ich persönlich sehe die Rolle der Vertreterinnen und Vertreter von PKO in
der Arbeitsgruppe in erster Linie auf der Seite der Betroffenenorganisationen; diese können
aus ihren Erfahrungen schöpfen. Aber auch die Vertretung von nicht dauerhaft erkrankten
Patientinnen und Patienten ist wichtig.»
Wie sieht es mit gegenseitigen Anliegen aus?
GZ: «Unser Anliegen ist es, dass die PKO in der Arbeitsgruppe einen offenen und
konstruktiven
Austausch führen können. Wir möchten eine Plattform für ein besseres gegenseitiges Verständnis
bieten.»
CS: «Die Teilnehmenden nehmen mit viel Engagement an den Treffen teil. Ich hoffe,
dass dies auch künftig so bleibt.»
DH: «Ich finde, dass Swissmedic das Gremium verstärkt für Konsultationen nutzen
sollte – vor
allem, wenn wir Prozesse verändern wollen.»
Wie soll sich die Zusammenarbeit aus Sicht PKO entwickeln?
JDS: «Wir wollen dranbleiben: Auch wenn die bestehende Gruppe sehr gut funktioniert,
müssen
wir das Niveau halten und wachsen. Die Schnittmenge aller Beteiligten macht es aus. Wir
verfolgen alle dieselben Interessen; die bestmögliche Qualität der Medikamente.»
DT: «Wir wünschen uns, dass die Zusammenarbeit über Swissmedic hinausstrahlt. Andere
Bundesbehörden können sich ruhig eine Scheibe von Swissmedic abschneiden.»
DH: «Ich sehe viel Potenzial in der technischen Entwicklung von
Kombinationsprodukten; hier
wird in nächster Zeit einiges passieren. Und demnach gibt es auch viel Potenzial, die
Patientinnen und Patienten miteinzubeziehen.»

