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OMCL Kampf gegen Nitrosamine

Kampf gegen Nitrosamine 2 Kampf gegen Nitrosamine 3

Nachdem vor knapp zwei Jahren mit Nitrosaminen verunreinigte Arzneimittel vom Markt zurückgerufen werden mussten, lancierte das Swissmedic-eigene Labor OMCL (Official Medicines Control Laboratory) eine eigene Prüfmethode um Nitrosaminverunreinigungen empfindlicher nachweisen zu können. Ein Rückblick und Einblick in mehrere Fälle.

Sommer 2018: Eine erste Meldung wird publiziert, dass im blutdrucksenkenden Wirkstoff Valsartan eines chinesischen Herstellers grössere Mengen von Nitrosaminen (NDMA, Nitrosodimethylamin) gefunden wurden. Ein klarer Verstoss gegen die gängige und internationale Arzneimittelverordnung. Und Grund genug für Swissmedic, sich einzuschalten – zumal die erbgutschädigenden Verunreinigungen vom chinesischen Hersteller nie gemeldet wurden (siehe untenstehenden Fall 1).
Das Problem ist die Menge
Grundsätzlich gilt: Die tolerierte Menge von dieser erbgutschädigenden Substanz ist von der maximalen Tagesdosis und der Einsatzdauer eines Medikamentes abhängig. So beträgt sie für NDMA in Valsartan (bei 300 mg/Tag und lebenslanger Einnahme) 0.3 ppm (Teil pro Million) bezüglich der Wirkstoffmenge. Die Herausforderung ist also, diese kleinste Menge von Verunreinigung zu finden, wie Massimiliano Conti, Abteilungsleiter Labor von Swissmedic erklärt. «Swissmedic überwacht den Markt der Arzneimittel. Das heisst, wir müssen beim Mustertest die kleinste Menge Nitrosamine aufspüren und identifizieren und auf dieser Ebene genau wissen, was wir suchen.» Normalerweise gelten für Verunreinigungen Grenzwerte von 0.1 Prozent des Wirkstoffs (ca. 1 000 ppm); bei erbgutschädigenden Stoffen liegt dieser Grenzwert sehr viel tiefer, das heisst, dass für den Nachweis von Nitrosaminen spezielle Analysentechniken eingesetzt werden müssen, die zirka 3000-mal empfindlicher sind, als die üblichen. Oder anhand eines praktischen Beispiels: Normalerweise suchen wir Verunreinigungen der Grössenordnung von 1 ml in einem Liter – in diesem Fall suchen wir diesen Milliliter aber in 33 000 Liter – das ist die Grösse eines Tanklastwagens.
Neue Testmethode für Nitrosamine in Sartanen
Wir wollen weiterhin eine zentrale Rolle spielen und Grundlagen schaffen, damit nicht jede Institution alles testen muss und wir uns die Arbeit untereinander aufteilen können. Damit kommen wir schneller zu einem Screening und damit ans Ziel.
Was heisst das konkret?
Sartane sind blutdrucksenkende und gefässerweiternde Wirkstoffe, die für die Behandlung von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen eingesetzt werden. Aufgrund von mehreren Fällen, bei denen diese krebserregenden Nitrosamine in sartanhaltigen Arzneimitteln entdeckt wurden, beschloss Swissmedic, eine eigene, neue Prüfmethode im hauseigenen Labor OMCL zu entwickeln. Seitdem werden hier Sartane mit kritischer chemischer Struktur überprüft. Mit dem Ziel, Nitrosaminverunreinigungen noch empfindlicher nachweisen zu können. «Mit der neuen Methode lässt sich feststellen, ob die Menge an enthaltenen N-Nitrosodimethylamin (NDMA) und N-Nitrosodiethylamin (NDEA) in Valsartan und verwandten Sartanen über oder unter der Unbedenklichkeitsgrenze liegt», begründet Massimiliano Conti die neue Testhandhabung. Und ergänzt: «Wir mussten ein neues analytisches Gerät verwenden und validieren, das empfindlich genug ist, um die Messung durchzuführen.»

Nitrosamine: darum geht’s

Nitrosamine sind erbgutschädigende und krebserregende Substanzen. Man findet sie im Wasser, im Bier oder in Lebensmitteln wie beispielsweise gegrilltem Fleisch oder in Kosmetika. Das BAG (Bundesamt für Gesundheit) kontrolliert routinemässig Produkte, die in der Schweiz auf den Markt kommen. Swissmedic ist zuständig für die Prüfung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der Arzneimittel und überprüft die Einhaltung der GMP (good manufacturing practices) bei allen Herstellschritten vom Wirkstoff bis zum Fertigprodukt.

Kampf gegen Nitrosamine 2

Fall 1

NDMA in grösseren Mengen
Im Sommer 2018 wurden die Experten von Swissmedic mittels «rapid alert system» durch das Rapid Allert Network vom Auftreten einer Nitrosaminverunreinigung im Wirkstoff Valsartan eines chinesischen Herstellers unterrichtet – der Fall wurde vom Hersteller nicht gemeldet. Swissmedic reagierte sofort und klärte als erstes ab, welche Produkte und welche Hersteller betroffen sind. Parallel dazu erarbeitete man die passende Kommunikationsstrategie. Nach Abklärung mit den Zulassungsinhaberinnen wurde der Rückruf aller betroffenen Valsartan Präparate vom Markt angeordnet. Gleichzeitig schaltete Swissmedic eine Publikation mit Informationen für die Öffentlichkeit auf der hauseigenen Website auf: «Wir erklärten, warum die Produkte zurückgerufen wurden und informierten, dass die verunreinigten Produkte nicht eigenmächtig abgesetzt werden sollen, sondern dass die Medikamente weiter eingenommen und bei nächster Gelegenheit ein Arzt aufgesucht werden sollte, um ein Alternativprodukt zu verlangen», erläutert Massimiliano Conti das damalige Prozedere. Wichtig dabei: Nicht in Panik verfallen – die Patienten können und sollen ihre Medikamente weiter einnehmen, weil sie nicht einfach so von einem Moment auf den anderen abgesetzt werden dürfen. Das akute Gesundheitsrisiko bei einer unkontrollierten Absetzung ist viel grösser als dasjenige, das von der Nitrosaminverunreinigung ausgeht. Da sich herausstellte, dass diese Verunreinigung sich weltweit in Sartan-Präparaten fand, wurde die internationale Zusammenarbeit und Abstimmung der Massnahmen ein zentrales Thema.
Die Auswirkungen
Im November 2018 entdeckte Swissmedic ein weiteres Valsartan Produkt, das diesmal mit NDEA verunreinigt war. Dieser Fund hatte einen weltweiten Rückruf von allen Fertigprodukten zur Folge, die mit dem Wirkstoff des betroffenen Herstellers produziert wurden. «Für uns war das eine tiefgehende Geschichte, zumal in unserem Labor nur knapp 50 Fachleute arbeiten – bei der FDA beispielsweise sind es Tausend. Seither wird Swissmedic von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA (European Medical Administration) regelmässig zu ihren Sitzungen eingeladen», erzählt Massimiliano Conti nicht ohne Stolz und ergänzt: «Die Behörden arbeiten eng zusammen, das funktioniert ausgezeichnet.»

Fall 2

Verunreinigungen bei Ranitidin-Medikamenten
Im September 2019 wurden Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ranitidin vom Schweizer Markt zurückgerufen, da sie Spuren des Nitrosamins NDMA (N-Nitrosodimethylamin) enthielten. Bei Analysen durch das Swissmedic Labor (OMCL) wurden in allen in der Schweiz zugelassenen Ranitidin-Präparaten geringe Mengen dieser Verunreinigung gefunden, welche über der festgelegten Unbedenklichkeitsgrenze lagen. Ein akutes Gesundheitsrisiko bestand nicht. Patienten, denen man eines der drei zurückgerufenen Arzneimittel verschrieb, wurden aufgefordert, sich an ihren Arzt zu wenden, um die Umstellung der Behandlung zu besprechen.

Fall 3

Verunreinigungen bei Metformin-Medikamenten
Im Dezember 2019 fand das Swissmedic OMCL bei Untersuchungen von Metformin-Präparaten zur Be­handlung von Diabetes (Typ 2) Verunreinigungen mit NDMA, die über der international tolerierbaren Unbedenklichkeitsgrenze für Arzneimittel lagen. Gleichzeitig wurde auch die nationale Zulassungsbehörde HSA in Singapur bei eigenen Untersuchungen fündig. Weil Antidiabetika mit diesem Wirkstoff breit eingesetzt werden, mussten das Ausmass und die Ursachen sorgfältig abgeklärt werden, um betroffene Chargen zu identifizieren und gegebenenfalls vom Markt zurückzurufen.
Das Fazit
Dank der ausgebauten internationalen Zusammenarbeit im Bereich Kommunikation und Laboranalytik konnten Fall 2 und 3 sehr viel schneller und effizienter mit guter Abstimmung der Massnahmen bearbeitet werden. Zusätzlich wurden die von den offiziellen Labors entwickelten Analysenmethoden publiziert und auch den Zulassungsinhaberinnen zur Verfügung gestellt.