Urs Bühler ist stellvertretender Bereichsleiter Infrastruktur. Er äussert sich zur Bedeutung, zu den Potenzialen, Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation innerhalb von Swissmedic.

Was bedeutet die Digitalisierung für Swissmedic?

«Wir verstehen die Digitalisierung als langjährigen, Technologie-induzierten Entwicklungsprozess, welcher wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen und Verhaltensmuster verändert. Leistungsfähigere Technologien, smarte Anwendungen und immer mehr verfügbare Daten begünstigen diese Entwicklung. Das beeinflusst sowohl Politik als auch Rechtssetzungsprozesse und damit auch Swissmedic als Vollzugsinstanz des Heilmittelrechts.

Mit welchen Herausforderungen sieht sich Swissmedic im Zusammenhang mit der digitalen Transformation konfrontiert?

«Die Herausforderung verlagert sich von der Automatisierung administrativer Abläufe auf die Überprüfung der Evidenz maschinell aufbereiteter, wissenschaftlicher Informationen und die Erweiterung der maschinellen Informationsanalyse auf öffentliche Datenquellen. Heute verfügbare Methoden des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz werden die Art und Weise verändern, wie die Marktakteure wissenschaftliche Erkenntnisse aufbereiten. Dementsprechend bedarf es auch neuer Methoden und zusätzlicher Fachkompetenz bei Swissmedic, um die Evidenz dieser Informationen zu validieren. Es macht beispielsweise einen Unterschied, ob klinische Versuche mit physischen Stoffen und lebenden Personen oder mit Hilfe digitaler Lösungen virtuell simuliert durchgeführt werden.

Die grundsätzliche Herausforderung für Swissmedic besteht jedoch darin, in der Zeit zwischen der Nutzung innovativer digitaler Lösungen bei den Marktakteuren und den in der Regel erst später dazu entstehenden Rechtsgrundlagen, den Vollzug zur Marktregulierung zu gestalten.»

Welche neuen Potenziale bieten sich Swissmedic mit der Digitalisierung?

«Im Bereich der administrativen Prozesse haben wir die Digitalisierungspotenziale schon ziemlich weitreichend erschlossen. Die grosse Mehrheit von Meldungen, Gesuchen, wissenschaftlichen Dokumentationen und Verfügungen werden heute bereits digital mit den Marktakteuren ausgetauscht und intern verarbeitet. Vor 5 Jahren wurden beispielsweise bis zu 2500 Bundesordner wissenschaftlicher Dokumentationen für ein Marktzutrittsgesuch angeliefert, heute werden diese Unterlagen in digitaler Form eingereicht.

Neue Potenziale bieten sich auch uns selbst durch Methoden des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz. In diesem Bereich sind wir bestrebt, unsere qualifizierten Experten bei Suche, Analyse und Validierung wissenschaftlicher Dokumentationen oder der Mustererkennung in Nebenwirkungsmeldungen, entlasten zu können. Aktuell gewinnen wir mit ersten Anwendungsprototypen auf Basis maschinellen Lernens am Beispiel der Begutachtung klinischer Versuche Erkenntnisse und Erfahrungen zu Nutzen und Risiken beim Einsatz dieser Technologien. Erste Ergebnisse sind vielversprechend.

Zudem sehen wir noch Potenzial durch die Nutzung von Social-Media-Kanälen die Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu intensivieren.»

Urs Bühler, Swissmedic
Welche konkreten Chancen ergeben sich aus den digitalen Prozessen?

«Wir wollen die interne Effizienz und Effektivität erhöhen. Wir haben den Auftrag und den Anspruch, unsere Leistungen so rasch wie möglich und dennoch so sicher wie nötig abzuwickeln. Die erwähnten, neuen digitalen Technologien bieten konkret die Chance, unsere Gesuchsbearbeitungsfristen weiter zu reduzieren, unerwünschte Heilmittel-Nebenwirkungen noch rascher zu erkennen und den Dialog mit der Öffentlichkeit zu intensivieren. Kurze Bearbeitungsfristen verbessern die Chance, dass Gesuche zu neuen, innovativen Heilmitteln im Schweizer Markt als erstes eingereicht werden. Das rasche Erkennen von unerwünschten Nebenwirkungen erhöht die Anwendungssicherheit. Der Dialog mit der Öffentlichkeit stärkt die Wahrnehmung unserer Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Die digitalen Prozesse bei Swissmedic dienen somit im Endeffekt den Menschen, die auf Heilmittel angewiesen sind sowie der Fachärzteschaft, welche diese verschreibt.»

Welche Risiken für Swissmedic bringt die digitale Transformation mit sich?

«Sie birgt Risiken in den Bereichen Informationssicherheit und Datenschutz. Betroffen ist in erster Linie der Sektor Medizinprodukte. Neben klassischen Medizinprodukten werden immer mehr Produkte unter Zuhilfenahme von digitalen Assistenten überwacht und gesteuert. Man stelle sich vor, es gelänge, mit krimineller Energie die App zur Steuerung einer Insulinpumpe zu manipulieren. Als Marktregulator sind wir in diesem Fall besonders gefordert. Wir müssen Transparenz zu Anwendungs- und Haftungsrisiken schaffen und die Öffentlichkeit umfänglich aufklären. Die zunehmende Digitalisierung schafft auch operative Risiken. Die Komplexität der Informatikinfrastrukturen und Geschäftsanwendungen steigt kontinuierlich an. Die Aufrechterhaltung der betrieblichen Verfügbarkeit dieser Anwendungen für interne und externe Nutzer bedingt zunehmend mehr Expertise und Aufwand für Betrieb, Wartung und Support.

Was bedeutet die digitale Transformation für die Entwicklung der Mitarbeitenden von Swissmedic?

«Das interdisziplinäre Zusammenwirken von Ex­perten verschiedener naturwissenschaftlicher Fachrichtungen ist heute ein entscheidender Fak­tor für die hohe Qualität der Swissmedic-Entscheide. Die digitale Transformation führt zu einer Er­weiterung der vorhandenen Fachdisziplinen. Im Vordergrund stehen Expertise in mathematischen Disziplinen, Informationstechnologie und Projektmanagement. Damit wird auch die technologische und organisatorische Komplexität unserer Wissens­organisationen weiter zunehmen. Das zwingt uns im positiven Sinne dazu, Prozesse, organisatorische Strukturen und Entwicklungsabläufe in immer kürzeren Zyklen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Solche Technologie-induzierten Entwicklungen können auch Ängste und Befürchtungen auslösen, sei dies bei Konsumenten, Bürgern oder Mitarbeitenden. Die Entwicklung ist jedoch irreversibel. Wir müssen dieser Entwicklung mit Zuversicht entgegentreten, ohne dabei die betrieblichen Risiken ausser Acht zu lassen oder das höchste Gut von Swissmedic zu gefährden: Die anerkannt hohe Qualität, Glaubwürdigkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit unserer Leistungen.»