Begleitet

Social Media Einmal die sozialen Kanäle rauf und runter

Wie baut man bei einer staatlichen Institution ein Social-Media- Netzwerk auf? Welche Kanäle kommen infrage? Wer entscheidet, was publiziert wird – und vor allem, was nicht? Welche Hilfsmittel setzt man bei welchem Thema ein? Wir fragten Ilana Bischof – die Ostschweizerin baut seit Mai 2020 den Social-Media-Bereich bei Swissmedic auf und aus.

Zum Beispiel: Ein Merkblatt schlägt Wellen

In der Schweiz werden die aktuellen Möglichkeiten und Bedingungen zur Durchführung von Covid-19-Tests intensiv diskutiert. In einem gemeinsam mit dem BAG verfassten Merkblatt werden die Nutzen der unterschiedlichen Testmethoden thematisiert. Eine Passage widmet sich der Nachweisbarkeit der Infektiosität durch PCR (PCR = Polymerase-Ketten-Reaktion; Labormethode zur Untersuchung der Erbsubstanz). Die dabei verwendeten Formulierungen könnte ein Laie so interpretieren, dass PCR-Tests grundsätzlich keine Infektion nachweisen könnten. Auf Social Media wurde das Thema plötzlich heiss diskutiert. Die Passage musste sprachlich überarbeitet werden, doch die Änderung rief Corona-Skeptiker auf den Plan. Sie sahen die Anpassung als Bestätigung dafür, dass Swissmedic die vermutete Corona-Manipulation mitträgt. «In dieser Sache wurde ich so richtig auf die Probe gestellt», erinnert sich Social-Media-Fachfrau Ilana Bischof. Die Situation beruhigte sich schliesslich wieder. Dank der klaren Information auf Social Media und anderen Kanälen.

Zum Beispiel: Impfstoff-Prozesse Social-Media-gerecht erklärt

Wie werden komplexe Prozesse einem breiten Publikum in zwei Minuten vermittelt, ohne bei der wissenschaftlichen Präzision Abstriche zu machen? «Als Erstes mussten wir ein paar wichtige Leitfragen stellen», erklärt Ilana Bischof. Welchen Prozess durchläuft ein Impfstoff, bis er von Swissmedic zugelassen wird? Welches sind die Kriterien, die ein neuer Impfstoff erfüllen muss? Was unterscheidet einen Impfstoff von anderen Arzneimitteln? Wie kann in einer ausserordentlichen Lage wie einer Pandemie der Dringlichkeit einer Impfstoffzulassung Rechnung getragen werden, ohne Sicherheits- oder Qualitätseinbussen eingehen zu müssen? «Wir kreierten ein Erklärvideo im Scribble-Stil. Das Resultat ist verblüffend informativ und unterhaltsam zugleich», bilanziert Ilana Bischof.

Zum Beispiel: Internationale Kooperation mit anderen Behörden

Internationale Kooperationen gehören zum Kerngeschäft und sind ein wichtiger Pfeiler von Swissmedic – so auch im Projekt ORBIS – einer Zusammenarbeit mit führenden Behörden wie FDA (USA) sowie den Vertretern aus Singapur, Kanada und Australien. «ORBIS ist ein wichtiges Thema. Wir beleuchteten mit unserem Post die Lancierung eines Arzneimittels, das im Rahmen dieser Zusammenarbeit in Rekordzeit von nur vier Monaten zugelassen wurde», erklärt Ilana Bischof. Dabei handelte es sich um ein Brustkrebsmedikament; Krebs ist ein Thema, das alle betrifft und auch emotional berührt. «Die rasche Zulassung war ein grosser Erfolg – solche Botschaften können fast nicht nachteilig ausgelegt werden», bilanziert die Social-Media-Expertin.

Illana Bischof Portrait
Illana Bischof Portrait
«Wir wollen mehr»

Klar ist: Die bisher erreichten Zahlen an Posts, Followern und Likes sind noch nicht sehr aufschlussreich. «Wir müssen unseren Platz im Social-Media-Dschungel finden. Das gilt auch für das Abwägen der Inhalte – und die Publikationsformate», weiss Ilana Bischof. «Ich setze mich für eine breite und konsequente Implementierung visueller Elemente ein. Dass Bilder und Videos mehr Interesse, Klicks und Interaktionen generieren, ist kein Geheimtipp mehr.» So sorgte beispielsweise die Publikation einer Infografik bereits für erhöhte Aufmerksamkeit. Bischof: «Ich bin ein grosser Fan von Infografiken – damit können wir mit einfachen visuellen Mitteln komplexe Inhalte vermitteln.» Doch das Erstellen von Infografiken ist aufwändig und kostenintensiv. Auch am Beispiel von bewegten Bildern lässt sich erkennen, zu welchen visuellen Mitteln Swissmedic künftig vermehrt greifen muss. «Mit einem Kurz-Video über Nitrosamine erreichten wir über 1000 Views – hier müssen wir ansetzen», ist Ilana Bischof überzeugt.

Gleiche Inhalte – verschiedene Kanäle

Was auffällt: Bisher wurden zahlreiche Inhalte gleichzeitig auf mehreren Swissmedic-Kanälen gepostet. «Das wird sich ändern, wenn wir die Contentflaute überwunden haben», ist Ilana Bischof überzeugt. «Crossposting* ist nicht ideal, noch schlimmer sind keine Posts», ist die Social-Media-Expertin überzeugt. «Im Moment publizieren wir zu wenig, die Informationen aus den Fachabteilungen fliessen noch sehr zögerlich bis zu uns. Das Bewusstsein für unsere neuen Kanäle ist noch nicht genügend ausgeprägt», erklärt Ilana Bischof. Sie will die Verantwortlichen in den Fachabteilungen überzeugen, dass ihre Inhalte spannend genug sind. «Wir sind dafür verantwortlich, diese Themen für die Zielgruppen ansprechend aufzubereiten; ein paar Fotos oder eben Moving Content zu produzieren, Hashtags zu setzen und Behind-the-Scenes-Momente festzuhalten.»

*Als Crossposting wird das Posten/Verschicken eines gleichen Beitrags auf verschiedenen Plattformen oder an verschiedene Gruppen bezeichnet.

Die Qual der Kanalwahl

Twitter, Facebook, LinkedIn oder auch andere. Die Wahl des richtigen Kanals ist auch eine Frage der Ressourcen. «Jeder Kanal hat seine Vorteile und sein Zielpublikum. Wir müssen stets alle prüfen und zielgruppenspezifische Inhalte platzieren», erklärt Ilana Bischof. «Auf Twitter erreichen wir vor allem Politiker, Journalisten und ein paar IT-Leute. Auf LinkedIn in erster Linie das Fachpublikum und ein professionelles Netzwerk – hier können wir wertvolle Beziehungen knüpfen.» Und Facebook – passt das wirklich zu den Inhalten von Swissmedic? «Unbedingt. Auf Facebook können wir die Öffentlichkeit für unsere Themen sensibilisieren. Unsere Informationen auf der Website sind für eine breite Allgemeinheit nicht gut verständlich formuliert – sie richten sich an Fachpersonen. Facebook eignet sich für eine inhaltlich und sprachlich barrierefreie Kommunikation. Das ist wichtig und für uns eine grosse Chance, um Vertrauen zu schaffen und Sympathien zu gewinnen», argumentiert die Wahlbernerin.

«Ich wünsche mir mehr Mut, die eigene Arbeit als Social-Media-taugliches Thema zu pushen.»

Von Relevanz und Potenzialen

Eines ist klar: Das Potenzial von möglichen Inhalten ist riesig. «Meine Aufgabe ist es, diese zu erkennen und den Fachverantwortlichen schmackhaft zu machen. Neben den internen Quellen surfe ich täglich bis zu zwei Stunden im Netz und suche nach interessanten Inhalten. Wo wird Swissmedic erwähnt? Was könnten wir allenfalls teilen? Was können wir zur Diskussion beitragen? Welche Themen sind im Trend, die wir noch nicht auf dem Schirm hatten? Bei welchem Thema gibt es seitens Swissmedic Handlungsbedarf?» Elementar aber ist die Unterstützung aus den eigenen Reihen. Gegenwind spürt Ilana­ Bischof bisher kaum. «Höchstens ein bisschen Skepsis, aber das ist normal. Ich spüre Offenheit und Vertrauen – vor allem auch vonseiten der Geschäftsleitung. Das ist eine super Voraussetzung, um die hauseigenen Kanäle weiter auszubauen.» Die Social-Media-Spezialistin freut sich jedenfalls, alle Optionen auszuleuchten. «Meine Swissmedic-Kolleginnen und -Kollegen fürchten sich davor, zu viel von sich preiszugeben – dabei ist das gar nicht nötig. Ich wünsche mir mehr Mut, die eigene Arbeit als Social-Media-taugliches Thema zu verstehen und zu pushen.»

Impfstoffe: Schnelle Lösung bei neuen Krankheiten?

Making-of eines Swissmedic Scribble-Videos