Globalisiert

Die Pharmakopöe Das Handbuch für Arzneimittelqualität

Ausschliesslich qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Heilmittel in Verkehr zu bringen – das ist der Auftrag von Swissmedic. Hierzu trägt die Pharmakopöe mit verbindlichen Qualitätsvorschriften massgeblich bei. In der Schweiz besteht sie aus dem Europäischen und dem Schweizerischen Arzneibuch. Als Leiter der Abteilung Pharmakopöe ist Tobias Gosdschan bei Swissmedic dafür verantwortlich. Von Juni 2016 bis Juni 2019 amtete er als Chairman der Europäischen Pharmakopöekommission – eine grosse Ehre.

Tobias Gosdschan im Gespräch
Pharmacopoea Helvetica und Pharmacopoea Europaea
Foto- und Filmaufnahmen entstanden im Pharmaziemuseum der Universität Basel.
Das Gemeinschaftswerk

Die Pharmakopöe ist eine Sammlung von Vorschriften über die Qualität von Arzneimitteln. Die darin enthaltenen Bestimmungen sind verbindlich und haben Gesetzescharakter: Sie geltenfür alle Arzneimittel, die in der Schweiz in Verkehr gebracht werden. Ziel ist es, einheitliche Rahmenbedingungen punkto Qualität zu schaffen und so allen Patientinnen und Patienten gleich hochstehende Arzneimittel zur Verfügung zu stellen. Hierzulande setzt sich das Arzneibuch aus der Schweizerischen (Pharmacopoea Helvetica, Ph. Helv.) und der Europäischen Pharmakopöe (Pharmacopoea Europaea, Ph. Eur.) zusammen. Letztere enthält mehr als 2000 Vorschriftentexte, sogenannte Monographien. Diese beschreiben Anforderungen an Wirkstoffe, pharmazeutische Hilfsstoffe, Darreichungsformen, Arzneipflanzen, Impfstoffe, Blutprodukte oder homöopathische Zubereitungen. Das nationale Arzneibuch, die Ph. Helv., enthält etwa 110 Monographien und ergänzt die Ph. Eur. mit Vorschriftentexten, wenn dort keine entsprechenden Vorgaben enthalten sind. Von besonderer Bedeutung ist dies für Arzneimittel, die nur auf dem nationalen Markt vertrieben werden. «Oder aber für Arzneimittel ohne Zulassungspflicht, welche in Apotheken für die eigene Kundschaft hergestellt werden, die sogenannten Magistralrezepturen», erklärt Gosdschan. Die 2012 eingeführte elektronische Version der Ph. Helv. ist seit dem 1. Juli 2019 kostenlos im Internet verfügbar – die gedruckte Fassung ist nur noch als Zusatzdienstleistung gedacht.

«Wenn das, was auf dem Etikett steht, nicht tatsächlich enthalten ist, kann dies tödliche Folgen haben.»

Die Europäische Pharmakopöe tritt gleichzeitig in 39 Mitgliedsstaaten sowie der EU als Organisation in Kraft. Erarbeitet wird sie unter der Leitung des Europarats. Eine Reihe von aussereuropäischen Staaten und nationalen Behörden sowie internationale Regierungsorganisationen wie beispielsweise die Welt­gesundheitsorganisation (WHO) sind ebenfalls an einer Zusammenarbeit interessiert und haben daher Beobachterstatus erlangt. Es gibt auch Bestrebungen, die Pharmakopöevorschriften weltweit zu vereinheitlichen. Neben der Europäischen gehören die Amerikanische und die Japanische Pharmakopöe zu den wichtigsten Sammlungen. «Diese zu harmonisieren ist nicht ganz so einfach. In erster Linie aufgrund unterschiedlicher, historisch gewachsener Zulassungssituationen. Die Annäherungsversuche er­fol­gen dennoch mit viel Engagement – bis zur Herausgabe einer auf der ganzen Welt anwendbaren Pharmakopöe dauert es aber wohl noch eine Weile», erläutert Tobias Gosdschan, Leiter der Pharmakopöe-Abteilung bei Swissmedic.

Illustration Buchblättern
Der Vorsitzende der Europäischen Pharmakopöe

Die Europäische Pharmakopöe wurde 1964 mit der Schweiz als einem von acht Gründerstaaten ins Leben gerufen. Verantwortlich für deren Erarbeitung und ständige Weiterentwicklung ist das Europäische Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln (EDQM). Es fungiert als Sekretariat der Europäischen Pharmakopöekommission mit ihren 60 Experten- und Arbeitsgruppen. Tobias Gosdschan ist Leiter der Schweizer Delegation, die vom Bundesrat auf Vorschlag von Swissmedic benannt wurde. Die Delegation umfasst drei Hauptmitglieder und drei Ersatzmitglieder. Alle drei Jahre wählt die Kommission ein neues Präsidium. Tobias Gosdschan wurde von 2013 bis 2016 zuerst als Vizepräsident vereidigt, ehe er von 2016 bis 2019 als erster Schweizer Präsident ins Amt gehoben wurde – eine riesige Anerkennung. «Natürlich war ich nach der Wahl extrem stolz. Neben persönlicher Anerkennung war sie auch Frucht jahrzehntelanger hervorragender Schweizer Beiträge zur Europäischen Pharmakopöe», so Gosdschan. «Ich habe die drei Jahre in dieser Funktion sehr genossen – auch wenn es manchmal schon sehr anspruchsvoll war», blickt er auf die Zeit als Präsident zurück. Entscheide der Kommission müssen einstimmig sein, ansonsten sind sie nicht gültig. «Alle Mitglieder ins selbe Boot zu holen war teilweise eine echte Herausforderung – in den Debatten trafen teils sehr gegensätzliche Auffassungen aufeinander. Mit meiner Schweizer Mentalität, immer einen Kompromiss finden zu wollen, konnte ich aber den Austausch zwischen den Kontrahenten stets aufrechterhalten und so Lösungen ermöglichen», resümiert Tobias Gosdschan zufrieden.

«Ein zu geringer Gehalt kann dazu führen, dass die für die Wirkung erforderliche Dosis nicht erreicht wird.»

Gremienarbeit in Corona-Zeiten

Tobias Gosdschan betreut mit seinem achtköpfigen Team ein Netzwerk von etwa 130 Expertinnen und Experten. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie finden die Sitzungen der Expertengremien in Form von Videokonferenzen statt. «Das funktioniert grundsätzlich recht gut. Was natürlich fehlt, ist der informelle Teil. Für die Lösungsfindung ist es in vielen Fällen sehr wichtig, direkt mit den Menschen sprechen zu können – das fiel weg», so Gosdschan. Um dies zu kompensieren, organisiert beispielsweise das EDQM mit den Nationalen Pharmakopöebehörden informelle Telekonferenzen. Diese fanden zuerst wöchentlich statt und werden mittlerweile monatlich durchgeführt. Gosdschan und sein Team hoffen jedoch, sich in absehbarer Zeit wieder persönlich zu treffen und den direkten Austausch pflegen zu können. Aber wie auch immer – das tägliche Engagement für die Arzneimittel-Qualität geht in jedem Fall unvermindert weiter.




Pharmacopoea Helvetica