Im Spannungsfeld

Swissmedic befand sich nach Ausbruch der Pandemie rasch im Spannungsfeld rund um die medizinischen Gesichtsmasken. «Die Nachfrage überstieg das Angebot. Ein Mangel auf dem Markt stand der Konformität der Produkte gegenüber. Ein korrigierendes Eingreifen war erforderlich – eine heikle Mission», blickt Yann Amstutz, Inspektor Medizinprodukte, auf die hektischen Wochen zu Krisenbeginn zurück.

«Mit Blick auf die Regularien werden Masken wie normale Pflaster eingestuft.»

Viele Gesundheitseinrichtungen gerieten in den ersten Wochen der Corona-Pandemie gewaltig unter Druck – auf dem Markt waren kaum medizinische Masken (auch als chirurgische Masken, OP-Masken oder Hygienemasken bezeichnet) verfügbar. Diese müssen, wie alle anderen Medizinprodukte auch, das entsprechende Konformitätsverfahren erfolgreich abgeschlossen haben, damit sie das Konformitätszeichen, die sogenannte CE-Kennzeichnung, tragen und auf dem Markt in Verkehr gebracht werden dürfen. In diesem Verfahren muss der Hersteller belegen, dass die Masken die grundlegenden Anforderungen erfüllen. Dazu wird bei medizinischen Masken in der Regel die Norm EN 14683 angewendet. Diese Norm konkretisiert die Anforderungen an medizinische Masken und dient so als Qualitätsstandard. Die CE-Kennzeichnung beweist die Konformität der Produkte. Rechtmässig CE-gekennzeichnete Masken und nicht konforme Masken lassen sich äusserlich kaum unterscheiden. Es bedarf einer genauen Analyse der vom Hersteller mitgelieferten Zertifizierungsunterlagen. «Selbst dann ist es noch extrem schwierig, den Prüfvorgang genau zu durchleuchten. Weltweit haben sich bereits Unternehmen darauf spezialisiert, Dokumente, die keine regulatorische Bedeutung haben, oder gar gefälschte Zertifikate auszustellen», konstatiert Yann Amstutz. Die Masken selbst zu testen wäre eine mögliche Option. Hierfür fehlt es in der Schweiz jedoch an geeigneten Laboreinrichtungen. Ausserdem wäre die Menge an zu testender Ware kaum zu bewältigen gewesen.

«Im Fokus der Untersuchung standen Sendungen für Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler sowie grosse Sendungen von über einer Million Masken an Händler.»

Eine komplexe Ausgangslage

Gesichtsmasken sind als Medizinprodukt der Klasse I klassifiziert. Dafür sind grundsätzlich weniger strenge Anforderungen für den Marktzutritt vorgesehen. «Mit Blick auf diese Regularien werden Masken wie normale Pflaster eingestuft. Die Beurteilung der Marktreife solcher Produkte ist den Herstellern selber überlassen, da es sich um keine risikohaften Produkte handelt. Wären medizinische Gesichtsmasken einer höheren Klasse zugeteilt, müssten die Hersteller für das Konformitätsverfahren eine Bewertungsstelle (Notified Body) einbeziehen», so Amstutz.

Die Richtlinien sehen für den Import von Medizinprodukten keine Bewilligung vor. Dies begünstigte den Import von Masken, die den in der Schweiz bestehenden Anforderungen nicht genügen. Swissmedic musste handeln – die mehrmals geänderten Covid-Verordnungen erhöhten die Komplexität dieses Vorhabens. Der Bundesrat lieferte mit den Covid-Verordnungen 2 und 3 pragmatische Lösungsansätze. Dadurch hatte Swissmedic die Möglichkeit, Ausnahmebewilligungen für dringend benötigte medizinische Masken an Gesundheitseinrichtungen auszustellen. Solche Ausnahmebewilligungen wurden beispielsweise ausgestellt, wenn die Funktionsfähigkeit plausibel nachgewiesen wurde, es aber Mängel bei der korrekten Kennzeichnung gab. Ausserdem durften Detailhändler dadurch ihre nicht konformen Masken im Sortiment behalten. «Dafür musste ein Kleber mit der Mitteilung «nicht für den medizinischen Gebrauch» – klar ersichtlich auf der Packung angebracht werden», schildert Yann Amstutz.

Illustration Maske
Das gemeinsame Vorgehen

Auch die Weltzollorganisation (WZO) erkannte die Problematik und lancierte eine international koordinierte Operation. Ziel der Aktion war es, den Import und Export von illegalen, gefälschten und minderwertigen Medikamenten und Medizinprodukten zu bekämpfen. Das Problem hatte sich während der Pandemie noch zusätzlich verschärft. Swissmedic und die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) erkannten die Chance, die eine solche gemeinsame Aktion bietet, und nahmen vom 11. Mai bis am 12. Juli an der «Operation Stop» teil. Ziel: die Kontrolle der Konformität medizinischer Gesichtsmasken.

In einem ersten Schritt erstellte die EZV einen Auszug aller importierten Sendungen mit medizinischen Gesichtsmasken seit Jahresbeginn. «Daraufhin wurde ein Risikoprofil definiert, ehe man im Anschluss stichprobenmässig Lieferungen kontrolliert hat. Im Fokus standen dabei Sendungen, die für Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler bestimmt waren, sowie grosse Sendungen von über einer Million Masken an Händler», erzählt Amstutz. Zum damaligen Zeitpunkt entsprach dies ungefähr dem schweizweiten Tagesbedarf an Masken. Mitarbeitende von Zoll und Swissmedic überprüften im Rahmen dieser globalen Aktion insgesamt 29 Sendungen von medizinischen Gesichtsmasken, über 34 Millionen Masken mit einem Gesamtgewicht von 132 Tonnen. «Die Zusammenarbeit mit dem Zoll war erfolgreich – die Kontrollen gingen unbürokratisch über die Bühne», blickt Yann Amstutz zurück. «Ausserdem haben wir im Rahmen dieser Kontrollen selbst sehr viel gelernt: Was kommt überhaupt für Material in die Schweiz, wie wird es durchleuchtet, wie funktioniert der Austausch unter den Behörden», erörtert der Inspektor Medizinprodukte das Unterfangen. «Mit dem Anhalten, der Lagerung und der Freigabe von grösseren Mengen von Medizinprodukten an Zoll- stellen waren wir bis dahin nicht vertraut. Das war für uns juristisches Neuland. Unser Rechtsdienst musste in diesem Zusammenhang viele Fragen kurzfristig klären – ein grosses Dankeschön an dieser Stelle», lobt Amstutz die Unterstützung des Rechtsdienstes Medizinproduk­te.

«Wir standen in ständigem Kontakt mit europäischen Behörden und Zollstellen – eine spannende und zu jeder Zeit konstruktive Zusammenarbeit.»

Ergebnis der Aktion: 10 der 29 Sendungen enthielten Gesichtsmasken, die nachweisbar nicht konform waren. Zu den häufigsten Nicht-Konformitäten gehörten: fehlende CE-Kennzeichnung auf der Verpackung, fehlende Anschrift des europäischen Bevollmächtigten, Angaben auf der Verpackung nicht in drei Sprachen (DE, FR, IT) verfasst, fehlende Testergebnisse. Die notwendigen Korrekturmassnahmen wurden mittels Verwaltungsverfahren eingeleitet. Die Operation hat gezeigt, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung grössere Mengen an nicht konformen medizinischen Gesichtsmasken in der Schweiz waren. An der globalen Aktion beteiligten sich insgesamt 99 Länder. «Koordination und Planung waren trotz der vielen Beteiligten ausgezeichnet. Wir standen in ständigem Kontakt mit europäischen Behörden und Zollstellen – eine spannende und zu jeder Zeit konstruktive Zusammenarbeit», resümiert Yann Amstutz.

Yann Amstutz Portrait
Yann Amstutz Bild Treppe