Als ehemaliger Generalsekretär im EDI kennen Sie Swissmedic. Wie haben Sie Swissmedic in Ihrer damaligen Funktion wahrgenommen?
Swissmedic habe ich als sehr kompetente, unabhängige Fachbehörde wahrgenommen, die ihre Arbeit sehr gut macht – eine Expertenorganisation, die aber in einem gewissen Wettbewerb mit anderen Zulassungsbehörden steht.
Swissmedic ist eine Organisation, die sehr gute Fachleute anzieht und in welcher die Mitarbeitenden sich gern engagieren. Das Institut muss sich aber gegenüber anderen Akteuren und Verwaltungseinheiten des Gesundheitswesens noch stärker profilieren und besser erklären, was sein Auftrag ist. Ziel ist es, dass Swissmedic dort, wo sie vom Vollzug betroffen ist, auch frühzeitig einbezogen wird. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Im Rechtsetzungsprozess muss man an Swissmedic denken und ihre Stimme zu den Auswirkungen im Vollzug auch hören. Hier gibt es noch Optimierungspotential.
Wo sehen Sie die Stärken von Swissmedic?
Es ist die Verlässlichkeit und Qualität ihrer Arbeit und gleichzeitig die im Vergleich mit anderen Zulassungsbehörden gute Geschwindigkeit in der Zulassung – wir halten, was wir versprechen, wir sind effizient. Eine weitere Stärke sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Swissmedic. Ich habe verschiedene Abteilungen besucht. Überall ist mir aufgefallen, dass die Mitarbeitenden stolz sind, für Swissmedic arbeiten zu dürfen. Sie sind überzeugt, etwas Wichtiges und Sinnvolles zu leisten. Das ist auch ein Grund, weshalb viele Mitarbeitende seit Jahren bei Swissmedic arbeiten, und Swissmedic gleichzeitig immer neue, kompetente Mitarbeitende rekrutieren kann.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für Swissmedic?
Darüber könnten wir stundenlang diskutieren. Abgesehen von den aktuellen Herausforderungen, die die Pandemie mit sich bringt, ist es sicherlich einerseits die technologische Entwicklung, die auch an den Heilmitteln nicht vorbeigeht. Die Konvergenz von Arzneimittel und Medizinprodukt, die neuen Therapiearten und Transplantatprodukte. Im Bereich der Medizinprodukte wird Swissmedic zukünftig zusätzliche neue Aufgaben übernehmen, aber ich glaube, wir schreiten hier mit den Vorbereitungsarbeiten gut voran.
Andererseits ist es die digitale Transformation.
Ich habe den Eindruck, dass Swissmedic im Vergleich mit anderen Bundeseinheiten hier gut unterwegs ist. Auch der Dialog mit den Firmen, die Zulassungsgesuche stellen, ist sehr professionell. Die Prozesse werden laufend verbessert und beschleunigt, ohne die Prüfungsdichte und den Prüfungsumfang in frage zu stellen. Geschwindigkeit und Austausch sind wichtig. Das wird auch in Zusammenhang mit der möglichen Zulassung eines Covid-Impfstoffes deutlich. Hier wird klar, wie wichtig es ist, im Rahmen der «rolling submission» frühzeitig mit der Gesuchstellerin in Dialog zu treten.
Eine weitere Herausforderung ist es, genügend qualifizierte und kompetente Mitarbeitende zu rekrutieren. Das ist wichtig für die Zukunft; wir haben bei Swissmedic Abteilungen, in denen in den nächsten drei bis fünf Jahren 25 Prozent der Mitarbeitenden pensioniert werden. Wir müssen frühzeitig dafür sorgen, dass wir neue motivierte und qualifizierte Mitarbeitende und Experten für uns gewinnen können. Wir werden auch Leute mit anderen Kompetenzen brauchen: Vieles, was früher «von Hand» erledigt wurde, wird in Zukunft automatisiert. Vermehrtes interdisziplinäres Denken ist gefordert. Die neuen technologischen Entwicklungen halten sich nicht an die Zuständigkeiten, wie wir sie bei Swissmedic definiert haben. Es ist eine grosse Herausforderung, à jour und auch wettbewerbsfähig gegenüber anderen Zulassungsbehörden zu bleiben. Wir wollen die Schweiz als Standort für Zulassungsgesuche gut positionieren. Das ist auch im Sinne der Versorgung der Schweiz mit Heilmitteln.
Und natürlich die Corona-Pandemie: Das ist eine riesige Herausforderung. Nicht allein die Impfstoffzulassung ist eine Herausforderung. In sehr kurzer Zeit muss sehr viel neu beurteilt und zugelassen werden: Medikamente und klinische Versuche. Betriebsbewilligungen müssen ausgestellt werden, die Marktüberwachung, das heisst die Überprüfung der Produkte, die auf dem Markt sind, muss sichergestellt werden.
Was können Sie als Präsident oder der Institutsrat beitragen, um diese Herausforderungen zu bewältigen?
Der Institutsrat hat eine gesetzlich klar umschriebene Aufgabe. Wir müssen diese sinnvoll und gut wahrnehmen. Der Institutsrat soll Sparringpartner der Geschäftsleitung sein, er soll den Dialog mit der Geschäftsleitung über die kommenden Herausforderungen führen. Das ist eine zentrale Aufgabe. Wir müssen gemeinsam überlegen, was die technologischen Entwicklungen im Umfeld von Swissmedic für das Institut im Alltag bedeuten. Was heisst das für die Revision der strategischen Ziele des Instituts, was müssen wir anpassen, um für die künftigen Herausforderungen gerüstet zu sein. Hier hat der Institutsrat eine wichtige Rolle als Impulsgeber.
Und dann sind da natürlich die weiteren gesetzlichen Aufgaben: die Auswahl von Geschäftsleitungsmitgliedern, der Dialog mit den wichtigsten Stakeholdern, damit wir wissen, welche Anforderungen an Swissmedic gestellt werden. Damit wir diese aufnehmen und wo möglich auch umsetzen können. Das sind die verschiedenen Aspekte, sehr ähnlich wie bei einem Verwaltungsrat eines privaten Unternehmens.
«Eine weitere Stärke sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Swissmedic.»
Wo sehen Sie die Herausforderung für Swissmedic, als mittelgrosse, effiziente und kompetente Behörde weiterhin im internationalen Umfeld bestehen zu können?
Mittelgross zu bleiben und gleichwohl den gesetzlichen Auftrag in allen Bereichen gut, speditiv und wirksam wahrnehmen zu können. Diese Triangulation wird extrem schwierig. Ich glaube, hier sind wir an einem Scheideweg. Wir werden uns beispielsweise international noch stärker koordinieren und abstimmen, Informationen und Grundlagen von gleichwertigen ausländischen Behörden ernst nehmen und Kooperationen suchen beziehungsweise eingehen. Swissmedic muss nicht zwingend alles alleine machen.
Einiges hängt auch von den Entwicklungen in Zusammenhang mit dem institutionellen Rahmenabkommen ab. Das ist eine weitere Herausforderung, die in der Öffentlichkeit nicht überall gleichermassen präsent ist.
Das Verhältnis Schweiz-EU betrifft unsere Aufgabe sowohl im Bereich Medizinprodukte als auch bei den Arzneimitteln. Wenn wir als Swissmedic, insbesondere bei der Marktüberwachung, keinen Zugang mehr zu den Datenbanken der europäischen Partner hätten – namentlich bei den Medizinprodukten – dann müssten wir eine eigene Organisation aufbauen. Das wäre ein riesiger Aufwand. Und es wäre fraglich, ob das hohe Schutzniveau auch weiterhin gewährleistet werden könnte.
Swissmedic ist eine Arzneimittelzulassungsbehörde. In der Schweiz werden aber auch sehr viele Medizinprodukte hergestellt oder importiert. Hier spielt Swissmedic eine wichtige Rolle bei der Überwachung. Wir stellen zum Beispiel sicher, dass die Konformitätsbewertungsstellen korrekt arbeiten. Die Branche sucht den Dialog mit Swissmedic und schätzt den Kontakt. Das möchte ich zusammen mit dem Direktor von Swissmedic weiterentwickeln und den Dialog mit den Verbänden noch etwas stärker institutionalisieren – auch zum Beispiel mit den Patientenorganisationen.