Aufgezeigt

Die Arbeit des HMEC Der Experte im Kreis der Experten

Bei wissenschaftlichen Fragen rund um die Zulassung von Arzneimitteln lässt sich Swissmedic von Experten beraten. Geht es um Humanarzneimittel und die Gesundheit der Menschen, wird das Schweizerische Heilmittelinstitut vom HMEC unterstützt. In den vergangenen Jahren richtete sich ein besonderer Fokus auf Onkologika (Arzneimittel zur Krebsbehandlung). Experte in diesem Anwendungsgebiet ist Prof. em. Dr. med. Thomas Cerny – für «Visible» sprach der renommierte Krebsmediziner über seine Tätigkeit als Mitglied des HMEC-Gremiums.

Eine verantwortungsvolle Aufgabe

Die SMEC (Swissmedic Medicines Expert Committees) setzen sich aus dem VMEC (Veterinary Medicines Expert Committee) und dem HMEC (Human Medicines Expert Committee) zusammen. Die beiden Gremien unterstützen Swissmedic bei der wissenschaftlichen Bewertung von Dokumentationen im Rahmen der Zulassung, Marktüberwachung und Bewilligung von Arzneimitteln sowie Transplantations- und Medizinprodukten. Das HMEC besteht aus neun ordentlichen Mitgliedern und aktuell 37 ausserordentlichen sowie sieben beratenden Mitgliedern. Die Zahl der ausserordentlichen und beratenden Mitglieder ist nicht beschränkt – sie richtet sich nach dem Bedarf an Spezialkenntnissen. Für Swissmedic ist die Zusammenarbeit mit externen Expertinnen und Experten ein essentielles Instrument, um die Qualität der Entscheide sicherzustellen. Vom Swissmedic-Institutsrat für eine vierjährige Amtszeit gewählt, verfügen die externen Fachpersonen über ausgewiesene berufliche Qualifikationen in Medizin, Pharmazie oder Naturwissenschaften und haben Erfahrung im klinischen Umfeld.

«Ich habe 40 Jahre Erfahrung mit klinischen Studien und helfe mit meinem Fachwissen gerne weiter.»

Thomas Cerny steht Swissmedic seit mehr als zehn Jahren beratend zur Seite, seit zwei Jahren sitzt er als ordentlicher Experte im HMEC-Board. Wie kam es zu diesem Engagement? «In der Onkologie gab es seit der Jahrtausendwende extrem viele Entwicklungen. Die Dossiers mit onkologischen Neuzulassungen bzw. Erweiterungen nehmen stetig zu – Swissmedic bat mich um Unterstützung. Ich habe 40 Jahre Erfahrung mit klinischen Studien, insbesondere in der Phase 1. Mit meinem Fachwissen helfe ich gerne weiter, weshalb ich sofort zugesagt habe», erklärt Cerny. Der Krebsmediziner ist seit den 1980er-Jahren in der akademischen Forschung tätig, hat die Entwicklung der molekularen Biomedizin miterlebt und beteiligte sich an der Entwicklung, Zulassung und Optimierung neuer Medikamente. Als ehemaliger Chefarzt für Onkologie/Hämatologie am Kantonsspital St. Gallen und langjähriger Präsident der Krebsforschung Schweiz KFS kennt Cerny die Forscher­szene, die Anliegen der Patientinnen und Patienten sowie Pharmafirmen aus erster Hand. Durch seine Exper­tise auf diesem Gebiet ist er für Swissmedic als HMEC-Mitglied sehr wertvoll.

Thomas Cerny während einer Präsentation
Thomas Cerny während einer Präsentation
Illustration Medizin
Thomas Cerny während einer Präsentation
Thomas Cerny während einer Präsentation
Entscheidfindungsprozess

Ob ein Medikament schlussendlich zugelassen wird, entscheidet Swissmedic. Das HMEC ist die beratende Kommission. Im Vordergrund der HMEC-Tätigkeit steht die Erarbeitung von Empfehlungen zu Gutheissung oder Abweis eines neuen Arzneimittels oder einer Indikationserweiterung. HMEC-Mitglieder können aber auch Einzelexpertisen erstellen – dabei nehmen sie sich spezifischer Fragestellungen an, die sich aus Swissmedic-­internen Begutachtungen ergeben. Es kann auch sein, dass die Experten die vollständige Evaluation von Zulassungsdossiers übernehmen.

«Die Zulassung von Medika­menten ist heutzutage oftmals eine Gratwanderung.»

Wie läuft eine Zusammenkunft des HMEC-Gremiums ab? In der Regel tagt das HMEC einmal im Monat. Die Traktanden werden von Swissmedic aufbereitet. «Im allgemeinen Teil zu Beginn des Meetings beschäftigen wir uns jeweils mit neuen Meldungen zu Medikamenten. Beispielsweise über Nebenwirkungen, die bei einer bestimmten Patientengruppe aufgetreten sind», so Cerny. Auch aktuelle gesundheitspolitische Themen im Zulassungsbereich können besprochen werden. «Danach befassen wir uns mit den Eingaben. Dabei erläutert der Swissmedic-interne Begutachter einleitend die regulatorischen Aspekte, die Position von Swissmedic sowie die kritischen Faktoren im Dossier. Anschliessend legt der HMEC-Experte seine Zweitmeinung dar und alle offenen Fragen werden gemeinsam diskutiert. Daraus resultiert eine konsolidierte Empfehlung des Gremiums zum Zulassungsentscheid. Zum Schluss fasst der Präsident des HMEC die erarbeitete Position zusammen und diktiert diese sogleich», schildert Thomas Cerny den Ablauf. Diese Protokollierung ist wichtig, damit der Entscheidungsfindungsprozess klar dokumentiert ist. Nach der Zulassung gilt es, die Medikamente weiter genau zu beobachten und neue Daten laufend zu analysieren. «Es kann zum Beispiel sein, dass ein Medikament zugelassen ist und wirkt, es aber neuen Erkenntnissen zufolge unerwünschte Effekte wie zum Beispiel die Bildung von Zweittumoren fördert», erläutert Cerny. Aus diesem Grund ist es denkbar, dass die Zulassungsinhaberinnen von gewissen Medikamenten aufgefordert werden, laufend Updates zu liefern, um die langfristige Wirkung des Medikaments zu beobachten. Die kontinuierliche und kritische Überwachung ist in diesem Zusammenhang von grösster Wichtigkeit.

«Teilweise sind ­­es scheinbare Kleinigkeiten, die nicht überzeugen – für die Behandlung von Patientinnen und Patienten können solche Details jedoch wichtig sein.»

Wann wird ein Medikament abgewiesen? Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Die Daten weisen zum Beispiel eine schlechte Qualität auf oder die Studien wurden in Ländern mit unzureichendem Gesundheitssystem durchgeführt und sind folglich nicht aussagekräftig. Es kann auch sein, dass die Studienanlage aus methodologischer Sicht nicht überzeugt – eine nachweisbare Wirkung des Medikaments lässt sich zwar belegen, diese ist aber klinisch nicht relevant, da kein angemessener Vergleich gemacht wurde. «Dosierungsschema oder Dosisfindung werden ebenfalls regelmässig ungenügend erarbeitet, weshalb wir bei der Zulassung kein positives Votum abgeben können. Teilweise sind es scheinbare Kleinigkeiten, die nicht überzeugen – für die Behandlung von Patientinnen und Patienten können solche Details jedoch wichtig sein», untermauert der Krebsmediziner.

Gesamterneuerungswahlen

Ende des laufenden Jahres endet der vierjährige Zyklus des SMEC – Gesamterneuerungswahlen für die Amtsperiode 2021 bis 2024 stehen an. Swissmedic sucht geeignete Kandidatinnen und Kandidaten, um die fachliche Kompetenz der Gremien weiter zu stärken. Thomas Cerny hat sich bereit erklärt, Swissmedic als HMEC-Mitglied für weitere vier Jahre beratend zur Seite zu stehen – eine erfreuliche Nachricht.

In der nächsten Ausgabe von «Visible» stellt Dr. med. vet. Barbara Katharina Knutti die Tätigkeit des Veterinary Medicines Expert Committee (VMEC) vor.