Untersucht

Kombinationsprodukte Auf die gute Mischung kommt es an

Kombinationsprodukte werden sowohl für Swissmedic als auch für Patienten und Anwenderinnen immer wichtiger – und gleich­zeitig wird die Handhabung immer komplexer. Dafür ist aktuell eine Anpassung der Schweizer Rechtsgrundlagen an die verschärften europäischen Anforderungen für Medizinprodukte verantwortlich.­ Die beiden Spezialisten bei Swissmedic, Bernhard Spörri und Sebastian Fuchs, erklären anhand von Beispielen, den neuen ­Verordnungen und den Aufgaben von Swissmedic, was es mit den Kombinationsprodukten so alles auf sich hat.

Ein Arzneimittel mit einer Medizinproduktkomponente nennt sich Kombinationsprodukt. Ein klassisches Beispiel dafür ist eine vorgefüllte Spritze. «Während es sich bei der Spritze, dem ‹Applikationsbehälter›, um ein Medizinprodukt handelt, ist der Inhalt der Spritze, beispielsweise ein Impfstoff, ein Arzneimittel», erklärt Sebastian Fuchs, Inspektor Medical Devices Surveillance im Bereich Markt­überwachung, die Kombination.

Unterschied integral vs. nicht integral

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Kombinationsprodukten. Bei einem nicht integralen Kombinationsprodukt ist die Medizinproduktkomponente beigepackt oder separat erhältlich – ein Hustensaft ist dafür ein gutes Beispiel: «Die Flasche mit dem Hustensaft (Arzneimittel) und der Messbecher für die richtige Dosierung (Medizinprodukt) sind in einer gemeinsamen Verpackung als Einheit zusammengestellt», präzisiert Bernhard Spörri, Einheitsleiter Quality Assessment im Bereich Zulassung. Und er ergänzt: «Bei einem integralen Kombinationsprodukt wird die Arzneimittelkomponente mit der Medizinproduktkomponente als eine verbundene Einheit hergestellt, die ausschliesslich für die Verwendung in ebendieser Verbindung bestimmt ist.» Beispiele dafür sind die bereits erwähnten vorgefüllten Spritzen und vorgefüllten Infusionspumpen oder ein vorgefüllter Asthma-Inhalator. Zudem gibt es auch Medizinprodukte, die eine Arzneimittelkomponente enthalten, zum Beispiel eine arzneimittelbeschichtete Gefässstütze (Stent).

«Gemeinsam an einem Tisch können wir die unterschiedlichen Kompetenzen der Arz­nei­mittelzulassung und der Medizinprodukt­prüfung gezielt zusammenführen.»

Bernhard Spörri
Die Aufgabe von Swissmedic

Um die internen Prozesse bei der Beurteilung von Kombinationsprodukten und die damit verbundene Anpassung an die strengeren Vorgaben seitens der neuen Regulierung zu definieren, hat Swissmedic ein Expertenteam ins Leben gerufen. «Für Arzneimittel und Medizinprodukte gelten zum Teil unterschiedliche gesetzliche Regelungen. Das ist einer der Gründe, warum die Geschäftsleitung von Swissmedic eine bereichsübergreifende Fachgruppe ins Leben rief, die evaluiert, wie man diese Regeln für Kombinationsprodukte anwendet», argumentiert Bernhard Spörri. In dieser Fachgruppe sitzen deshalb Arzneimittel- und Medizinproduktspezialisten an einem Tisch. «Das ermöglicht uns, die beiden Bestandteile gemeinsam zu beurteilen und zu bewerten. In einem ersten Schritt soll die Fachgruppe eine geschäftspolitische Entscheidung zuhanden der Geschäftsleitung vorbereiten. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, ob Swissmedic Gutachten für den Arzneimittelteil eines integralen Medizinproduktes (bspw. Antibiotika-beschichtete Hüftprothesen) erstellen soll. Weil es sich in manchen Fällen auch um hoch innovative Kombinationsprodukte handelt, wird sich die Fachgruppe die Frage stellen müssen, ob bei Swissmedic genügend Fachwissen vorhanden ist, um diese Aufgaben zu erfüllen», erklärt Bernhard Spörri. «Die übergeordnete Fachgruppe soll aber auch als Kompetenzzentrum für Fragen zu Kombinationsprodukten agieren», führt Sebastian Fuchs aus. Fazit: Die Fachgruppe soll als interdisziplinäres Organ für Fragestellungen von beiden Seiten zur Verfügung stehen, soll aber nicht in die operativen Prozesse der Zulassung und Markt­überwachung eingebunden werden.

Bernhard Spörri und Sebastian Fuchs im Gespräch
Symbolbild Medizinprodukte
Sebastian Fuchs, Inspektor Medical Devices Surveillance
Ein heikler Punkt

Das Gute daran ist: Die jeweiligen Komponenten sind klar reguliert. Wenn man ein integrales Kombinationsprodukt beurteilt, entstehen immer wieder Berührungspunkte. «Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Bei einer Fertigspritze müssen die Spritze, also das Medizinprodukt, und das Arzneimittel für eine ge­meinsame Nutzung geeignet sein und dementsprechend geprüft werden. Für diese Prüfung der Kompatibilität, Sicherheit und funktionellen Eignung, wie etwa die Dosiergenauigkeit, müssen sowohl die gesetzlichen Bestimmungen für Arzneimittel als auch für Medizinprodukte beachtet werden.
Es ist also sinnvoll, dass wir uns bezüglich der geltenden Anforderungen an Kombinationsprodukte bereichsübergreifend austauschen», klärt Sebastian Fuchs auf.

«Für Kombinationsprodukte ist ein bereichsübergreifender Austausch sinnvoll.»

Sebastian Fuchs
Europäische Anforderungen an Medizinprodukte

«Arzneimittel und Medizinprodukte durchlaufen ver­schiedene Prüfprozesse, bevor sie auf den Markt gebracht werden dürfen. Das Prüfverfahren für Me­dizinprodukte unterscheidet sich grundsätzlich von der behördlichen Zulassung der Arzneimittel», stellt Bernhard Spörri klar. Für die Zertifizierung der Medizinprodukte mit höheren Risiken sind die sogenannten Konformitätsbewertungsstellen (international wird der Begriff Notified Body verwendet) zuständig. Sebastian Fuchs ergänzt: «Da die Schweiz bei den Medizinprodukten die europäischen Anforderungen äquivalent umsetzt, müssen wir diese auch für die Kombinationsprodukte beachten.»

Die Bedeutung des Wandels

In den letzten Jahren hat sich in Bezug auf die Kombinationsprodukte einiges getan und auch verändert. Mit der Anpassung der europäischen Anforderungen an Medizinprodukte wurden vor vier Jahren auch neue Vorgaben für die Prüfung von Kombinationsprodukten definiert. «Für integrale Kombinationsprodukte kann die Erfüllung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen an die Medizinproduktkomponente bislang durch die Hersteller selbstständig ausgewiesen werden. Ab Mai 2021 müssen die Hersteller dafür zusätzlich auch eine unabhängige Beurteilung einer Konformitätsbewertungsstelle vorweisen können», weiss Bernhard Spörri. Diese Anpassungen werden euro­pa­­weit eingeführt und Swissmedic sieht vor, ihre Zu­lassungsanforderungen entsprechend anzupassen.

Bernhard Spörri, Abteilung Quality Assessment