Begleitet

Die Arbeit des VMEC Tier und Mensch im Mittelpunkt

Das VMEC (Veterinary Medicines Expert Committee) ist das Gegenstück zum HMEC (Human Medicines Expert Committee). Präsidentin Barbara Knutti erzählt von ihrer Berufung zur Tiermedizin, von der Themenvielfalt und den grössten Herausforderungen des Gremiums. Ein Besuch in ihrer Heimat, dem waadtländischen Dorf Corcelles.

Fuchs und Hase

Corcelles liegt im nördlichen Waadtländer Zipfel am Rande der Enklave des südlichen Murtensee­ufers. Im Broyetal dominiert die Landwirtschaft. Tiere sind allgegenwärtig; sie gehören ins ländliche Dorfbild. Etwas abseits und quasi unter einer Autobrücke lebt Barbara Knutti mit ihrem Mann. Bei unserer Ankunft kümmert sich die Tierärztin noch rasch um ihren Hund Loki. «Er ist erst fünf Monate alt und noch völlig verspielt – ich bin ihn noch am Erziehen», lacht sie. Die Bielerin ist mit Tieren aufgewachsen («Mein Vater war Jäger») und fühlt sich pudelwohl im ländlichen Broyeland. «Wir sind nahe von allem Lebenswerten; die Menschen hier zelebrieren das Leben-und-leben-lassen-Prinzip – das entspricht uns», erzählt sie entspannt. In Corcelles führt Barbara Knutti seit 20 Jahren ihre Tierarztpraxis. «Einst arbeiteten vier Tierärztinnen für mich – jetzt, wo mein Mann pensioniert ist, reduziere ich mein Pensum und unterhalte mein Geschäft wieder als Einfraubetrieb.»

Tier und Liebe

Dass Barbara Knutti Tierärztin wurde, ist kein Zufall. «Das wusste ich schon, als ich sechsjährig war», lacht sie. Heute praktiziert sie mit Spezialgebiet Gynäkologie; hier hat sie sich auch entsprechend weitergebildet. «Ich besuche jedes Jahr internationale Kongresse – 2020 ging es um die Fortpflanzung von Schlangen über Geflügel bis zu Nilpferden. Speziell interessiert hat mich das Thema Eizellgewinnung von Pferden und Rindern.» Eine der wichtigsten Erkenntnisse von Barbara Knutti: «Bei der Tiermedizin geht es nicht nur um das Tier, sondern auch um den Menschen. Wir arbeiten immer im Auftrag des Tierbesitzers. Das heisst bei den Nutztieren, dass unsere Arbeit einen Einfluss auf die ökonomische Situation des Besitzers hat. Beim Heimtier geht es um den emotionalen Wert, den das Tier für den Besitzer hat. Und letztlich haben wir eine ethische Verpflichtung gegenüber dem Tier. Tierliebe allein reicht nicht, um Tiermedizinerin zu werden.» Für Knutti ist ihr Job eine Berufung: «Ich habe sehr vieles erlebt und in viele Dinge reingesehen. Da ist Empathie und gleichzeitig Distanz gefragt; das fasziniert mich enorm.» Und: «Tierarzneimittel sind mein tägliches Brot – ich denke, dass wir alle sehr verantwortungsvoll mit dem Einsatz von Medikamenten umgehen sollten.»

Fokussiert und breit

Das VMEC ist ein Expertengremium, das sich aus Fachleuten mit Know-how aus möglichst vielen Spezialgebieten zusammensetzt und jeweils für eine vierjährige Amtszeit gewählt wird. Es ist gesetzesgebunden und soll alle Fachbereiche abdecken. «Dazu gehören beispielsweise auch mal ausserordentliche Themen wie Anästhesie von Nagern oder Geflügel, spezielle Bakterien oder Kreisläufe von Parasiten», erklärt die VMEC-Präsidentin.

Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Barbara Knutti bei der Arbeit als Tiermedizinerin
Umfassend und detailliert

Pro Jahr gehen beim VMEC meistens rund zehn Gesuche ein, die geprüft werden müssen. Barbara­­­ Knutti nennt ein Beispiel, um zu veranschaulichen, worum es sich im Detail handelte. «Es ging um ein Präparat für Pferdegelenke, das bereits bei uns zugelassen war. Im neuen Gesuch wurde eine zusätzliche intravenöse Form für die Behandlung von Pferden vor Wettkämpfen beantragt», erzählt sie. Das VMEC-Gremium sollte nun abklären, ob ein Verträglichkeitsrisiko besteht und wie hoch die Wirksamkeit ist. «Am Ende mussten wir eine Risiko-­­Nutzen-Abwägung vollziehen um festzustellen, ob es Sinn macht, das überarbeitete Präparat zuzulassen. In den Studien wurde eine klinische Verbesserung nach intravenöser Applikation festgestellt, obwohl nicht bewiesen werden konnte, dass sich der Wirkstoff in den Gelenken ansammelt. Wir stuften die neue Applikationsform als unbedenklich ein – vor allem, weil auch keine Nebenwirkungen auftraten.» Das Präparat wurde schliesslich nach intensiven Abklärungen für die intravenöse Verabreichung zugelassen.

Themen und Gremien

Drei- bis fünfmal jährlich treffen sich die VMEC-Experten, um die Dossiers bestimmter zur Zulassung eingereichter Präparate unter die Lupe zu nehmen. Dazu kommen Themen wie europäische Gesetzgebungen, Konzeptpapiere oder generelle Dokumente, die im Gesamtkontext mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) abgeglichen werden müssen. «Wir wollen uns den europäischen Richtlinien anpassen. So haben wir beispielsweise ein Antibiotikum, das bei uns während Jahren eingesetzt wurde, aufgrund von neusten Studien zu Risiken für den Menschen – analog zur EU – komplett eliminiert.» Wichtig auch: «Wir prüfen natürlich, was unsere Kollegen in Europa und auch in den USA herausgeben, aber letztlich entscheiden wir immer selbst, was wir zur Zulassung empfehlen und was nicht», präzisiert die VMEC-Präsidentin.
Ein Beispiel: Wir haben in der Schweiz eine strengere Gesetzgebung in Bezug auf den Tierschutz und die Tierhaltung, die den Einsatz bestimmter Präparate einschränkt oder verbietet. Oder wir verlangen bei Antibiotika ein Monitoring, was dazu führen kann, dass eine Firma ein Zulassungsgesuch zurückzieht, weil der Aufwand eines Monitorings im Vergleich zum kleinen Schweizer Markt zu gross wäre. Das VMEC-Gremium gibt jeweils eine Empfehlung zuhanden von Swiss­medic ab. Den eigentlichen Entscheid zur Zulassung trifft dann Swissmedic.

Herausforderung und Potenziale

Als VMEC-Präsidentin ist Barbara Knutti auch das Bindeglied zu Swissmedic. Sie bringt ihre grossen tiermedizinischen Erfahrungen ein; am liebsten mit Beispielen aus der Praxis. «Wir müssen dem Spannungsfeld Tiergesundheit/Lebensmittelproduktion gerecht werden, die richtigen Entscheide fällen sowie den Blick fürs Ganze behalten. Seit ich in diesem Gremium tätig bin, habe ich meinen persönlichen Blickwinkel verändert und vor allem erweitert: Ich verwende Medikamente heute viel bewusster und überlege mir, ob es sie braucht und ob ich sie richtig anwende. Ich weiss jetzt, wie viel Wissen dahintersteckt und welche Faktoren entscheidend sind», fasst die VMEC-Präsidentin ihre Tätigkeit zusammen. Und schaut gleichzeitig in die Zukunft: «Wir müssen unser breites Wissen noch stärker vereinen. Als Gremium sind wir äusserst unkompliziert unterwegs, können rasche Entscheidungen treffen und einen Konsens finden. Das Wichtigste ist, dass wir diesen Dialog fortsetzen – zum Wohle der Tiermedizin.»

Auf den Spuren der VMEC-Präsidentin